Vier Jahre nach dem Vertrag von Marrakesch zur Erleichterung des Zugangs blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen zu veröffentlichten Werken hat das EU-Parlament schließlich dessen konkrete gesetzliche Umsetzung beschlossen. Die urheberrechtlichen Ausnahmen für entsprechend zugängliche Formatkopien sowie der grenzüberschreitende Austausch dieser Arbeiten wurden mit deutlicher Mehrheit in Höhe von über 600 Stimmen angenommen. Im gleichen Atemzug wurde aber auch eine Ausgleichsklausel für Verlage etabliert, die auf Kritik seitens der von der Schranke Profitierenden stößt.

Umsetzung des Vertrages von Marrakesch

2013 wurde der Vertrag von Marrakesch nach Verhandlungen im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) von der EU geschlossen. Dieser schreibt den Vertragsstaaten vor, in ihrem nationalen Recht vorzusehen, dass bestimmte Stellen (nämlich staatliche Einrichtungen und gemeinnützige Organisationen, die Dienstleistungen in Bezug auf Bildung, pädagogische Schulung, adaptives Lesen oder Zugang zu Informationen anbieten) zugunsten von blinden, sehbehinderten oder anderweitig lesebehinderten Personen veröffentlichte Werke ohne die Erlaubnis des Inhabers des Urheberrechts in einem zugänglichen Format vervielfältigen oder verbreiten dürfen. Die Staaten müssen nach dem Vertrag von Marrakesch auch den grenzüberschreitenden Austausch von Vervielfältigungsstücken in einem zugänglichen Format dadurch erleichtern, dass sie bestimmte Formen der Aus- und Einfuhr dieser Vervielfältigungsstücke gestatten.

Genau diese Regelungen werden nun dem Parlamentsbeschluss umfasst und stehen nun den Ansätzen des Rates offen.

Öffnungsklausel: Mitgliedstaaten können im nationalen Recht Ausgleichszahlungen vorsehen

 Als Gegenstück zu dem Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht, sieht der Beschluss allerdings auch eine Öffnungsklausel für die Mitgliedstaaten vor. Diese können demnach Ausgleichszahlungen für Verlage für das Vervielfältigen und Verbreiten urheberrechtlich geschützter Werke in zugänglichen Formaten unter bestimmten Voraussetzungen in ihren nationalen Gesetzen vorsehen. Eine solche Regelung findet sich mit §45 a UrhG bereits jetzt in Deutschland. Die Ausgleichszahlungen hält man seitens der Europäischen Blindenunion (EBU) allerdings angesichts des Benachteiligungsverbotes aus der 2009 vom Bundestag angenommenen Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte der Behinderten für rechtlich angreifbar und hat bereits rechtliche Schritte angekündigt. So will man die Kommission darüber entscheiden lassen, ob die deutsche Regelung gegen die Behindertenkonvention und/oder gegen bestehende Ausnahmen in der Urheberrechtsrichtlinie der EU verstößt.

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