Der Rechtsstreit um die App der tagesschau währt mittlerweile bereits fast sieben Jahre. In concreto geht es dabei um die Zulässigkeit der tagesschau-App vom 15. Juni 2011, wobei dahinter natürlich Fragestellungen rund um den Telemedienauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt stehen. Mit diesen wird sich nun das Bundesverfassungsgericht auseinandersetzen müssen, da der NDR am 22. Januar 2018 gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln Verfassungsbeschwerde eingelegt hat (vgl. hierzu die Meldung der tagesschau). Vor dem Hintergrund der derzeit in der Diskussion befindlichen Änderungen des Rundfunkstaatsvertrages und damit verbunden auch der Vorschriften zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Telemedienbereich, die auch Gegenstand der Beratungen der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder am morgigen 1. Februar in Berlin sind, wird diese Entscheidung mit Spannung zu erwarten sein.

Zum Sachverhalt und Verfahren

Der Sache liegt ein Verfahren vor dem Landgericht Köln aus dem Jahre 2011 zugrunde. Vor diesem hatten elf Zeitungsverlage, deren Angebot auch elektronisch, teilweise über sogenannte Apps, abrufbar ist, Klage gegen die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) und den Norddeutschen Rundfunk (NDR) erhoben, der innerhalb der ARD verantwortlich für die Umsetzung des Telemedienangebots „tagesschau-App“ war und ist. Die Verlage waren der Auffassung, dass das Angebot der tageschau-App in dieser Form unzulässig nach § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den entsprechenden Vorschriften des RStV sei, da es den Rahmen überschreite, innerhalb dessen ARD, das ZDF und das Deutschlandradio über die herkömmlichen Fernseh- und Rundfunkangebote hinaus auch Telemedien anbieten dürfen, die journalistisch-redaktionell veranlasst und journalistisch-redaktionell gestaltet sind. Die Unterlassungsklage war darauf gerichtet, dass das Telemedienangebot „tagesschau-App“ – wie beispielhaft in der Form der Darstellung vom 15. Juni 2011 beschrieben, jedoch ausgenommen jene Angebotsinhalte, die eine hörfunk- und/oder fernsehähnliche Gestaltung aufweisen und ihren inhaltlichen und gestalterischen Schwerpunkt nicht in Texte setzen – nicht mehr verbreitet wird, da es sich insbesondere um ein nicht sendungsbezogenes, presseähnliches und damit nach §11 d Abs. 2 Nr. 3 RStV unzulässiges Angebot handele. Das LG Köln gab der Klage statt mit der Begründung, dass  „in der Gesamtschau die „presseersetzenden“ Einzelbeiträge einen breiten Raum einnehmen und den Gesamteindruck so wesentlich (mit-)bestimmen, dass das Angebot insgesamt als presseähnlich im Sinne des Gesetzes einzustufen ist, weil es sich dem Nutzer ohne weiteres als „Zeitungsersatz“ darstellt.“

Der NDR hat hieraufhin Berufung eingelegt, nach der das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 20. Dezember 2013 das Urteil des Landesgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen hat. Begründet wurde dies damit, dass das Angebot „tagesschau.de“ und im Zuge dessen auch die nachfolgende „tagesschau-App“ in dem nach § 11 f RStV durchlaufenen Drei-Stufen-Test von den mit der Prüfung befassten Einrichtungen als nicht presseähnlich nach §11 d Abs. 2 RStV eingestuft und deshalb zur Veröffentlichung freigegeben worden seien, woran die Gerichte schließlich gebunden seien. 

Die hiergegen wiederum eingelegte Revision beim Bundesgerichtshof, führte zur Zurückweisung der Sache an das OLG Köln, da das angegriffene Urteil von der nach Ansicht des BGH falschen Prämisse der Verbindlichkeit des Drei-Stufen-Tests ausgegangen sei. Zudem stellte der BGH auch fest, dass es sich bei dem Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG handele,  weil es zumindest auch den Zweck habe, die Betätigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten auf dem Markt der Telemedienangebote zum Schutz von Presseverlagen zu begrenzen, was das OLG zuvor noch offen gelassen hatte. Nunmehr hatte also das OLG Köln die Presseähnlichkeit der App zu prüfen. Mit Urteil vom 23. September 2016 hat es diese schließlich bejaht und damit der Unterlassungsklage der Verlage stattgegeben. Abzustellen sei hinsichtlich des Sendungsbezugs und der Presseähnlichkeit von Telemedienangeboten auf die Sicht der Nutzer der App als bestimmungsgemäße Empfänger des Telemedienangebots. Der Nutzer, der im Zweifel keine Übersicht über das komplette Programm der Rundfunkanstalt habe, könne ohne ausdrücklichen Ausweis den Bezug zu einer konkreten Sendung nicht herstellen, falls er die betreffende Sendung nicht selber wahrgenommen hat. Für ihn stelle sich daher ein Beitrag ohne den Ausweis des Sendungsbezugs als ein nicht sendungsbezogener Beitrag dar, so dass es auf den „materiellen“ Sendungsbezug nicht ankommen könne. Eine Ausnahme könne lediglich für solche Beiträge angenommen werden, bei denen der Sendungsbezug offensichtlich ist, wie etwa bei der Wiedergabe einer kompletten Ausgabe der tagesschau als Videofilm. Bei den streitgegenständlichen Texten fehle es aber an solchen Hinweisen auf konkrete Sendungen, sodass der Nutzer hier von einer Presseähnlichkeit ausgehen würde. 

Die erneut vom NDR gegen dieses Urteil eingelegte Revision wurde vom BGH abgelehnt, sodass das Urteil des OLG Köln nunmehr rechtskräftig ist. Letzte Möglichkeit gegen die Urteile vorzugehen, die neben konkreten Feststellungen zur Zulässigkeit der streitgegenständlichen App in der streitgegenständlichen Form auch grundsätzliche Aussagen zur Zulässigkeit auch zukünftiger Online-Formate der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten enthalten, ist nunmehr noch die Verfassungsbeschwerde, die der NDR am 22. Januar eingelegt hat. 

Zu den rechtlichen Hintergründen

Hintergrund des Rechtsstreits ist sind nicht nur rundfunkrechtliche, sondern auch wettbewerbsrechtliche Fragestellungen – und diese wiederum verbunden mit nicht unerheblichen ökonomischen Folgerungen. Die Zeitungsverlage vertreten die Ansicht, dass es durch ein zu starkes textliches Online-Angebot der Rundfunkanstalten zu einer Konkurrenzsituation mit traditionell der Presse zugewiesenen Tätigkeiten komme, die – insbesondere vor dem Hintergrund der Beitragsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – zu einer Wettbewerbsverzerrung führe. Demgegenüber geben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu bedenken, dass auch sie – gerade vor dem Hintergrund des Grundversorgungsauftrages – ein zeitgemäßes und zugängliches Angebot an Informationen für die Bevölkerung bereitstellen müssen.

Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine „dienende Funktion“ im Sinne eines gesellschaftlich-kulturellen und politisch-demokratischen Auftrags der Informationsvermittlung hat, ist allgemein anerkannt (Vgl. etwa EGMR, Urteil vom 24. November 1993, Lentia Informationsverein ./. Österreich). In welcher Form und durch welches Medium er diesen zu erfüllen hat, ist jedoch nicht auf grundrechtlicher Ebene geregelt. 

Einfachgesetzliche Ausgestaltungen finden sich jedoch insbesondere in den bereits angesprochenen Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages. Auf ihrer Sitzung am 19. und 20. Oktober haben die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sich auf eine Novellierung des Telemedienauftrags der Rundfunkanstalten im 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag verständigt. So sollen etwa die Verweildauern für Sendungen und auf Sendungen bezogene Telemedien (7-Tage-Regelung) zeitgemäß ausgedehnt und die Regelung zum Verbot presseähnlicher Angebote weiter konkretisiert werden. Konkrete Entwürfe gibt es jedoch soweit ersichtlich noch nicht. Mit grundrechtlichen Fragestellungen wird sich die Reformierung aber ebenso zu befassen haben wie auch das BVerfG in der kommenden Entscheidung zur Tagesschau-App. 

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