Der EuGH hat mir Urteil vom 20. Februar 2018 (ECLI:EU:C:2018:79) das Rechtsmittel Belgiens im Streit um die Empfehlung der Europäischen Kommission zu Online-Glücksspielen (Empfehlung vom 14. Juli 2014 mit Grundsätzen für den Schutz von Verbrauchern und Nutzern von Online-Glücksspieldienstleistungen und für den Ausschluss Minderjähriger von Online-Glücksspielen; (2014/478/EU)) zurückgewiesen. Das Urteil enthält dabei auch allgemeine Feststellungen zur Beurteilung der Verbindlichkeit von Maßnahmen der Kommission. 

Am 14. Juli 2014 erließ die Kommission gemäß Art. 292 AEUV die Empfehlung an die Mitgliedstaaten, durch die Übernahme von Grundsätzen für Online-Glücksspieldienstleistungen und eine verantwortungsvolle kommerzielle Kommunikation für diese Dienstleistungen ein hohes Maß an Schutz für Verbraucher, Spieler und Minderjährige zu erzielen, um so ihre Gesundheit zu schützen und gleichzeitig mögliche wirtschaftliche Schäden, die durch zwanghaftes oder übermäßiges Spielen entstehen können, zu minimieren. Das Königreich Belgien erhob Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Empfehlung vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG). Hiergegen erhob die Kommission wiederum die Einrede der Unzulässigkeit mit der Begründung, dass die streitige Empfehlung keine nach Art. 263 AEUV anfechtbare Handlung sei, da sie durch ihren unverbindlichen und nicht verpflichtenden Charakter, der sich unter anderem an dem in der Möglichkeitsform abgefassten Text zeige, nicht als « echte » Empfehlung im Sinne von Art. 288 AEUV gelten könne. Belgien brachte hiergegen vor, dass die Empfehlung vor dem Hintergrund des Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes Gegenstand gerichtlicher Kontrolle können sein müsse, da sie insbesondere fundamentale Grundsätze des Unionsrechts verletze, nämlich den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit zwischen den Unionsorganen sowie zwischen ihnen und den Mitgliedstaaten und ihr die Absicht zugrunde liege, die Anwendung der Art. 49 und 56 AEUV im Bereich der Glücksspiele zu harmonisieren. Schließlich erzeuge die Empfehlung auch mittelbare Rechtswirkungen, da sich die Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit um die Einhaltung der Empfehlung bemühen müssten und die nationalen Gerichte sie zu berücksichtigen hätten. Das EuG ist dieser Argumentation jedoch nicht gefolgt, sondern hat der Unzulässigkeitseinrede der Kommission mit Beschluss vom 27. Oktober 2015 stattgegeben und die Klage Belgiens damit als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss legte Belgien Rechtsmittel vor dem EuGH ein, um dessen Aufhebung zu erreichen sowie die ursprüngliche Nichtigkeitsklage für zulässig zu erklären und in der Sache zu entscheiden.

Der EuGH wies das Rechtsmittel jedoch zurück und folgte im Wesentlichen den Ausführungen des EuG und der Kommission: Alle Handlungen, die keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugen, seien von der in Art. 263 AEUV vorgesehenen gerichtlichen Kontrolle ausgenommen. Nur ausnahmsweise sei es möglich, gegen eine solche Maßnahme Nichtigkeitsklage zu erheben, wenn die angefochtene Handlung aufgrund ihres Inhalts ihrem Wesen nach keine echte Empfehlung sei, was wiederum anhand objektiver Kriterien zu beurteilen sei. Die streitgegenständliche Empfehlung stelle jedoch keine solche Ausnahme dar, da sie im Wesentlichen nicht verbindlich formuliert und nicht dazu bestimmt sei, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen. Insbesondere zeige sich das auch daran, dass in der Empfehlung ausdrücklich klargestellt werde, dass das Recht der Mitgliedstaaten auf Regulierung von Glücksspieldienstleistungen von dieser Empfehlung unberührt bleibe und ein ausdrücklicher Hinweis auf eine verbindliche Verpflichtung gleichsam fehle. Im Übrigen werde dies auch durch einen Auszug aus einer Mitteilung (COM(2012) 596 final) der Kommission untermauert, in der mitgeteilt wird, dass es insgesamt derzeit nicht angemessen erscheine, Rechtsvorschriften der Union im Sektor der Online-Glücksspiele vorzuschlagen. Die Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, der loyalen Zusammenarbeit und des institutionellen Gleichgewichts könnten nicht zum Wegfall der in Art. 263 AEUV ausdrücklich vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen führen – so der EuGH dem EuG zustimmend weiter. Auch wenn Art. 263 AEUV die Überprüfung von Handlungen mit Empfehlungscharakter durch den Gerichtshof ausschließe, verleihe ihm im Übrigen Art. 267 AEUV die Befugnis, im Wege der Vorabentscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung von Handlungen der Unionsorgane ohne jede Ausnahme zu entscheiden. 

Auch sei die Feststellung der Unverbindlichkeit der Empfehlung durch das EuG auch vor dem Hintergrund nicht zu beanstanden, dass verbindliche Formulierungen in der deutschen und niederländische Fassung der streitigen Empfehlung enthalten seien. Da allen Sprachfassungen einer Unionshandlung der gleiche Wert beizumessen sei (Art. 1 der Verordnung Nr. 1 in der durch die Verordnung Nr. 517/2013 geänderten Fassung) und daher – um die einheitliche Auslegung des Unionsrechts zu wahren – bei Abweichungen eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Regelung erfolgen müsse, könne auch nicht eine einzige Sprachfassung (in diesem Fall also die deutsche oder niederländische) Grundlage für die Auslegung der gesamten Handlung sein oder insoweit Vorrang vor den anderen Sprachfassungen beanspruchen.

Da das EuG die dargestellten Grundsätze in seinem Urteil beachtet habe, eine im Sinne des Rechtsmittels rechtsfehlerhafte Entscheidung somit nicht vorliege, sei das Rechtsmittel schließlich vollumfänglich zurückzuweisen. 

Der Beschluss des EuG ist abrufbar unter: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=171001&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=576666 

Das Urteil des EuGH ist abrufbar unter: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=9ea7d2dc30ddf5bc2918532e43df9995f1e6d0ef19b6.e34KaxiLc3qMb40Rch0SaxyNb390?text=&docid=199442&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=572947 

Seite Drucken