In seinem Grundsatzurteil vom 15.05.2018 (Az. VI ZR 233/17) hat der Bundesgerichtshof sog. Dashcams als Beweismittel zugelassen. Dashcams, auch On-Board-Kameras genannt, sind kleine Videokameras, die am Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe eines Fahrzeugs angebracht sind und die laufende Fahrt aufzeichnen. Bislang war die Rechtslage hierzu sehr umstritten. Im konkreten Fall lehnte das Landgericht Magdeburg als Vorinstanz eine Verwertbarkeit als Beweismittel ab (Urteil vom 05.05.2017 – 1 S 15/17), andere Gerichte, wie das OLG Stuttgart (Urteil vom  04.05.2016 – 4 Ss 543/15, Einzelfallzulässigkeit in schweren Fällen) und OLG Nürnberg (Urteil vom 10.08.2017 – 13 U 851/17, beim Fehlen anderer zuverlässiger Beweismittel) ließen sie wiederum zu.

Im vorliegenden Fall ging es um die Folgen eines Autounfalles, der sich innerorts beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Linksabbiegespuren ereignet hat. Dabei nahm der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Streitig war zwischen den Parteien, wer die Kollision verursacht hatte. Hierzu wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, jedoch konnte dieses die Frage nicht abschließend klären. Aufschluss darüber hätten die Aufnahmen der Dashcam des Klägers geben können, von denen der Sachverständige jedoch trotz eines entsprechenden Angebots des Klägers keinen Gebrauch gemacht hatte. Auch das Landgericht lehnte die Verwertung der Aufnahmen ab, da die Aufzeichnungen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoße und damit einem Beweisverwertungsverbot unterliege.

Die Revision des Klägers vor dem Bundesgerichtshof hatte nun Erfolg. Dabei wurde jedoch zunächst ebenfalls ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften festgestellt. So verbiete § 4 BDSG, dass ohne Einwilligung des Betroffenen entsprechende Aufnahmen angefertigt werden dürfen und auch eine Ausnahmevorschrift sei vorliegend nicht einschlägig. Besonders eklatant sei dabei ein Verstoß, wenn eine permanente und anlasslose Aufzeichnung des Geschehens erfolge. Technisch gesehen ist es nämlich auch möglich, die Dashcam nur anlassbezogen zu aktivieren oder durch ein dauerndes Überspielen der Aufnahmen innerhalb überschaubarer Zeiträume und der Speicherung von ausschließlich beweiserheblichen Daten, angemessen zu handeln. Eine Rechtswidrigkeit der Aufnahmen führe jedoch im Zivilprozess nicht unmittelbar zur Unverwertbarkeit – so der BGH weiter – stattdessen sei eine Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers an der Verwertung und den datenschutzrechtlichen Interessen des Beklagten (unter Berücksichtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes und seiner Ausprägung dem Recht des eigenen Bildes) vorzunehmen.

Im Ergebnis überwiege nach einer Abwägung jedoch das Interesse an der Verwertbarkeit der Aufnahmen. So habe sich der Beklagte freiwillig in den öffentlichen Raum begeben, der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Die Dashcam filme nur ohnehin öffentlich Wahrnehmbares, sodass ein Eingriff von einer eher geringen Intensität erfolge. Darüber hinaus bestehe in Unfallprozessen vor Zivilgerichten regelmäßig eine Beweisnot, der auch Unfallgutachten nicht in allen Fällen abhelfen können. Weiterhin wiesen die Richter auf andere gesetzliche Wertungen, wie denen des § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) hin, in denen den Beweisinteressen der Unfallbeteiligten ein besonderer Schutz eingeräumt wird. Gleiches könne auch § 34 StVO entnommen werden. So seien etwa nach einem Verkehrsunfall auf Verlangen der eigene Name und die eigene Anschrift anzugeben, der Führerschein und der Fahrzeugschein vorzuweisen sowie Angaben über die Haftpflichtversicherung zu machen.

Schließlich führen auch mögliche Rechtsverletzungen von unbeteiligten Dritten nicht zu einer anderen Abwägung. Diese können nach datenschutzrechtlichen Vorschriften gegen den Dashcam-Betreiber vorgehen. Diese Vorschriften wollen nach Meinung des Senats selbst jedoch kein Beweisverwertungsverbot bezwecken.

Eine Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 15.05.2018 ist im Internet unter http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2018&Sort=3&nr=83549&pos=0&anz=88 abrufbar.

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