Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat mit Beschluss vom 26. Februar 2018 (Aktenzeichen: 13 A 17/16) den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Vorabentscheidung einiger Fragen betreffend die rechtliche Einordnung von sog. Webmail-Diensten wie Gmail, GMX & Co. und deren Auswirkungen ersucht. Im Kern geht es dabei um die Fragestellung, ob Dienste, die Nutzern den Zugang zur Kommunikation per E-Mail über das offene Internet ermöglichen ohne ihnen jedoch Zugang zum Internet selbst zu vermitteln, als Telekommunikationsdienste einzuordnen sind. 

Der Entscheidung liegt der Rechtsstreit zwischen der Bundesnetzagentur und dem US-amerikanischen Konzern Google Inc. zugrunde, der bereits seit mehreren Jahren wegen des E-Mail-Dienstes Google Mail (nunemhr Gmail) geführt wird. Die für die Aufsicht über Telekommunikationsdienste zuständige Bundesnetzagentur hatte Google bereits 2010 (erstmalig, in den Folgejahren 2012 und 2014 erneut) zur Anmeldung seines E-Mail-Dienstes als nach §6 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) anmeldepflichtigen Telekommunikationsdienst aufgefordert. Google legte gegen die letztmalige Anordnung Widerspruch und – nach dessen Erfolglosigkeit – Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln ein. Der US-Konzern ist der Ansicht, dass es bei dem von ihm angebotenen Dienst an einer ihm zurechnbaren bzw. von ihm zu verantwortenden überwiegenden Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG fehle, da bei der Übermittlung der E-Mail vom Nutzer zum Mailserver des Webmail-Anbieters die Signalübertragung ausschließlich durch den Internet Access Provider stattfinde. Selbst wenn man aber in der Funktionsweise des Webmail-Dienstes eine Signalübertragung sehen wollte, so wäre diese zumindest nicht „überwiegend“ im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG, denn hierfür fehle es an der erforderlichen Kontrolle und Verantwortung für die Signalübertragung, die auch für die Erfüllung etwaiger Verpflichtungen nach dem TKG schließlich erforderlich sei. 

Dieser Argumentation hat sich das VG Köln jedoch nicht angeschlossen. Das VG wies die Klage in seinem Urteil vom 11. November 2015 (Az. 21 K 450/15) mit der Begründung ab, dass Google die zwei für einen Telekommunikationsdienst wesentlichen Eigenschaften – Entgeltlichkeit des Dienstes und  überwiegendes Bestehen in einer Signalübertragung über Telekommunikationsnetze – aufweise. Während an der Entgeltlichkeit keine Zweifel bestünden, erfordere die Einordnung unter den Begriff der „Signalübertragung“ eine auf den gesamten Dienst bezogene Wertung, die sowohl die Nutzer- als auch die Anbietersicht, aber auch die gesetzgeberischen Intentionen mit in den Blick zu nehmen habe. Bei Gmail stehe – stelle man auf Nutzersicht ab – die raumüberwindende Kommunikation mit anderen Nutzern und damit der Telekommunikationsvorgang selbst aber gerade im Vordergrund. Der Umstand, dass die Signalübertragung durch die beteiligten Internet-Provider erfolgt, spielte nach Auffassung des VG Köln keine entscheidende Rolle,  da der gesamte Kommunikationsvorgang einheitlich betrachtet werden müsse und die einzelnen Prozessschritte daher nicht getrennt bewertet werden könnten. Die mit der Einordnung als Telekommunikationsdienst verbundene Verpflichtungen – so das VG Köln weiter – seien auch von Bedeutung für die Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs und die Wahrung von Technologieneutralität als Grundprinzipien des TKG. 

Gegen dieses Urteil legte Google Berufung vor dem OVG NRW ein, dass das Berufungsverfahren nunmehr ausgesetzt und den EuGH um Vor­abentscheidung ersucht hat. Da die gesetzliche Definition des Telekommunikationsdienstes auf eine annähernd gleichlautende Bestimmung in der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste zurückgehe, komme es im Berufungsverfahren maßgeblich auf europarechtliche Vorgaben an. Wie sich aus der Pressemitteilung des OVG NRW ergibt, müsse der EuGH nun klären, „ob auch internetbasierte E-Mail-Dienste, die über das offene Internet bereitgestellt würden und selbst keinen Inter­netzugang vermittelten, als Übertragung von Signalen über elektronische Kommuni­kationsnetze von der Richtlinie erfasst würden. Ferner müsse die Frage beantwortet werden, wie das Merkmal „gewöhnlich gegen Entgelt erbracht“ auszulegen sei.“ 

Die Pressemitteilung des OVG NRW ist abrufbar unter:

http://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/05_180226/index.php