Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom Beschluss vom 22. Juni 2018 (1 BvR 2083/15) der Verfassungsbeschwerde eines YouTube-Kanalbetreibers gegen seine Verurteilung wegen Verharmlosung des nationalsozialistischen Völkermords stattgegeben. Im Wesentlichen begründete das BVerfG dies damit, dass für eine Strafbarkeit wegen Verharmlosung des Nationalsozialismus die positive Feststellung erforderlich sei, dass die Äußerung sich zur Gefährdung des öffentlichen Friedens eigne. Eine „mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind“ gehöre laut BVerfG „zum freiheitlichen Staat“. Daher begründe allein die „Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie“ oder auch „eine anstößige Geschichtsinterpretation“ für sich gesehen eine Strafbarkeit (noch) nicht.
In der Sache ging es um eine Audio-Datei, die unter anderem auf dem YouTube-Kanal des späteren Beschwerdeführers von ihm veröffentlicht wurde und in der ein Dritter die Verantwortlichen der ersten „Wehrmachtsausstellung“ der Volksverhetzung durch die Ausstellung von gefälschten und manipulierten Fotos als „Lügenpropaganda der Alliierten“ bezichtigte. Nicht wie dort dargestellt seien Menschen freiwillig mit der SS in Lager gegangen. Zudem wurde in der streitgegenständlichen Audio-Datei Holocaust-Überlebenden vorgeworfen, mit Vorträgen über die Massenvernichtung Geld zu verdienen und die These vertreten, dass Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Zeugen in den Gerichtsprozessen zu dessen Aufarbeitung gelogen hätten. Das Amtsgericht verurteilte den Kanal-Betreiber wegen der Veröffentlichung der Audio-Datei wegen Volksverhetzung. Berufung und Revision hatten keinen Erfolg.
Das BVerfG gab nunmehr der gegen die Urteile gerichteten Verfassungsbeschwerde aufgrund eines ungerechtfertigten Eingriffs in die grundrechtlich garantierte Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) des Beschwerdeführers statt. § 130 StGB als allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG könne die Meinungsfreiheit nur dann in grundrechtskonformer Weise einschränken, wenn damit insbesondere ein legitimes Schutzziel verfolgt werde, das im Einzelfall höher zu gewichten sei als die Meinungsfreiheit des Einzelnen. Ein legitimes Schutzgut sei der nach § 130 StGB geschützte öffentliche Frieden zwar, ausreichende Feststellungen, dass dieser im konkreten Fall auch gefährdet wurde, enthielten die Entscheidungen der Instanzgerichte jedoch nicht. Nach Auffassung des BVerfG könne eine Verurteilung nur dann an eine Meinungsäußerung anknüpfen, wenn sie über die Überzeugungsbildung hinaus mittelbar auf Realwirkungen angelegt sei und etwa in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen oder durch Herabsetzung von Hemmschwellen rechtsgutgefährdende Folgen unmittelbar auslösen könne. Für die Feststellung einer solchen Wirkungsweise einer Äußerung reiche aber nicht etwa bereits die Feststellung des Landgerichts, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert werde und die Äußerungen als Ausdruck unerträglicher Missachtung wirkten, die Gewalttaten des NS-Regimes relativiert und bagatellisiert würden. Die Schwelle der Gefährdung der Friedlichkeit sei hiermit noch nicht begründet. Auch dass der Kanal gerade an ein speziell politisch orientiertes Publikum im äußeren rechten Flügel richte, ändere hieran nichts. Entscheidend führt das BVerfG aus: „Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind aber nicht schon dann überschritten, wenn die anerkannte Geschichtsschreibung oder die Opfer nicht angemessen gewürdigt werden. Vielmehr sind von ihr auch offensichtlich anstößige, abstoßende und bewusst provozierende Äußerungen gedeckt, die wissenschaftlich haltlos sind und das Wertfundament unserer gesellschaftlichen Ordnung zu diffamieren suchen.“
Den durch diese Ausführungen möglicherweise aufkommenden Befürchtungen, nationalsozialistischem Gedankengut Tüt und Tor zu öffnen, begegnet das BVerfG mit folgendem Passus: „Der Schutz solcher Äußerungen durch die Meinungsfreiheit besagt damit nicht, dass diese als inhaltlich akzeptabel mit Gleichgültigkeit in der öffentlichen Diskussion aufzunehmen sind. Die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes setzt vielmehr darauf, dass solchen Äußerungen, die für eine demokratische Öffentlichkeit schwer erträglich sein können, grundsätzlich nicht durch Verbote, sondern in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegengetreten wird. „
Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts ist abrufbar unter
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-066.html