Mit heutiger Entscheidung vom 10.11.2021 hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) in der Rechtssache T-612/17 (Google und Alphabet/ Kommission) festgestellt, dass Google mit der Art der Einbindung seines Google Shopping Angebots in die Google-Suche seine beherrschende Stellung auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste missbrauch und damit gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens verstoßen hat. Damit bestätigte das Gericht im Wesentlichen die Entscheidung der Europäischen Kommission aus 2018 mit der Google ein Bußgeld in Höhe von 2 424 495 000 EUR auferlegt worden war und hob diese nur insoweit auf, als es um Verstöße auf dem Markt für allgemeine (und nicht wie vom EuG festgestellt: den Markt für spezialisierte) Suchdienste ging. An der Bußgeldhöhe änderte dies jedoch nichts. 

Im Kern des Verfahrens ging es dabei um die Praxis von Google, auf seinen allgemeinen Suchergebnisseiten den eigenen Preisvergleichsdienst im Vergleich zu konkurrierenden Preisvergleichsdiensten bevorzugt zu platzieren und anzuzeigen. Das sei eine missbräuchliche Ausnutzung der Marktmacht des beliebtesten Suchmaschinenanbieters in Europa – so die Argumentation der Kommission und konkurrierender Anbieter von Shopping- und Vergleichsdiensten. Diese Handhabe hatte in der Form seit Januar 2008 in Deutschland und im Vereinigten Königreich, seit Oktober 2010 in Frankreich, seit Mai 2011 in Italien, den Niederlanden und Spanien, seit Februar 2013 in der Tschechischen Republik und seit November 2013 in Belgien, Dänemark, Norwegen, Österreich, Polen und Schweden stattgefunden. In Bezug auf die sachlich relevanten Märkte für allgemeine Suchdienste und für Preisvergleichsdienste hatte die Kommission seit 2007 (bzw. 2011 in Bezug auf Tschechien) beruhend auf den Marktanteilen von Google, den vorhandenen Schranken für Marktzutritt und Expansion, dem Mangel an Multihoming, den Markenwirkungen und dem Fehlen einer ausgleichenden Nachfragemacht, eine beherrschende Stellung angenommen. Als irrelevant war dabei das kostenlose Anbieten des Suchdienstes gesehen worden. Diese Stellung sei dadurch missbraucht worden, dass das Unternehmen auf seinen allgemeinen Suchergebnisseiten seinen eigenen Preisvergleichsdienst gegenüber konkurrierenden Preisvergleichsdiensten bevorzugt platziert und anzeigt hatte. Insbesondere sei es missbräuchlich, dass der Online-Verkehr – durch eigens zu diesem Zweck entwickelte Algorithmen – von konkurrierenden Preisvergleichsdiensten zum Preisvergleichsdienst von Google weglenkt wurde (durch optische Zurücksetzung im Ranking der Suchergebnisse etwa), und damit geeignet sei, gegenwärtig und zukünftig wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den nationalen Märkten zu haben. Der obere Teil der Suchergebnisseite, der sich optisch abhebt und noch über den „Anzeigen“ und den eigentlichen Suchergebnissen steht, war nämlich Wettbewerbern anders als der Anzeigenbereich nicht zugänglich. Als Folge hatte die Kommission festgestellt, dass dies zu einer Marktabschottung führe und das wiederum zu höheren Gebühren für Händler, höheren Preisen für Verbraucher und weniger Innovation.

Google hatte sich gegen das Bußgeld vor dem EuG gewehrt – vor allem mit dem Argument, dass es sich bei den fraglichen Praktiken um Qualitätsverbesserungen handele, die einen Wettbewerb in der Sache darstellten (also im Prinzip wettbewerbsförderlich seien, wobei Google selbst als Wettbewerber nach einer dominanten Position im Markt strebe), und der Berufung auf technische Notwendigkeiten dieser konkreten Art der Ausgestaltung. Das blieb allerdings ohne Erfolg: Das EuG bestätigte die Entscheidung der Kommission in den wesentlichen Punkten, vor allem in der Bußgeldhöhe. Zwar sei das Streben nach oder das Innehaben einer vorteilhaften (dominanten) Position auf dem Markt nicht per se bereits missbräuchlich. Allerdings sei die von Google vorgenommene Bevorzugung eigener Dienste vor dem Hintergrund missbräuchlich, dass die Google-Suche für Wettberber von essentieller Bedeutung in der Generierung von Traffic und Sichtbarkeit sei, was wiederum die Beziehungen der Wettbewerber zu Händlern, deren Produkte sie in ihren Diensten aufnehmen, unmittelbar beeinflusse. Eine Alternativoption gegenüber Google gäbe es für Wettbewerber nicht. Eine allgemeine Suchmaschine – wie sie Google betreibt – sei eine grundsätzlich offene Infrastruktur, deren Sinn gerade darin liege, für Ergebnisse aus externen (Dritt-)Quellen offen zu sein und diese Quellen anzuzeigen, die die Glaubwürdigkeit der Suchmaschine ausmachen. Die Praxis der Bevorzugung des eigenen Vergleichsdienstes nur weil es der eigene ist und nicht, weil ein besseres (relevanteres) Ergebnis gegenüber einem anderen Ergebnis bevorzugt wird, sei deshalb missbräuchlich. Zwar hat Google in der Folgezeit konkurrierenden Shopping-Vergleichsdiensten die Möglichkeit gegeben, die Qualität der Anzeige ihrer Ergebnisse zu verbessern, indem sie gegen Bezahlung in seinen „Boxen“ erscheinen, doch hängt dieser Dienst nach Ansicht des Gerichts davon ab, dass die Shopping-Vergleichsdienste ihr Geschäftsmodell ändern und nicht mehr unmittelbare Konkurrenten von Google sind, sondern stattdessen dessen Kunden werden.

Welche wirtschaftliche und verbraucherschutzrechtliche Bedeutung das Verfahren hat, zeigt die Liste an Unterstützern, die sich am Verfahren auf Seiten der Kommission beteiligt hatten. Hier finden sich eine Reihe von Organisationen aus dem Medien- und Verbraucherschutzbereich, darunter auch der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V., die zwar ihre Verfahrenskosten selbst zu tragen haben, aber mit der Entscheidung des EuG in substantieller Hinsicht zufrieden sein werden.