In der Coty Germany-Entscheidung des EuGH vom 06.12.2017 geht es um die Vereinbarkeit von  Verträgen zum Schutz des Luxusimages einer Marke mit EU-Primär- und Sekundärrecht.

Die Ausgangslage

Coty Germany verkauft in Deutschland Luxuskosmetika. Einige ihrer Marken vertreibt das Unternehmen, um deren Luxusimage zu wahren, im Rahmen eines selektiven Vertriebsnetzes über autorisierte Händler. Deren Verkaufsstätten müssen einer Reihe von Anforderungen hinsichtlich Umgebung, Ausstattung und Einrichtung genügen. Die autorisierten Händler können die fraglichen Waren auch im Internet verkaufen, sofern sie ihr eigenes elektronisches Schaufenster verwenden oder nicht autorisierte Drittplattformen einschalten, wobei dies für den Verbraucher nicht erkennbar sein darf. Vertraglich ausdrücklich verboten ist es ihnen hingegen, die Waren im Internet über Drittplattformen zu verkaufen, die für die Verbraucher erkennbar in Erscheinung treten

Coty Germany klagte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt gegen die Parfümerie Akzente, die zwar lizensierter Vertriebspartner von Coty Germany ist, jedoch deren  Marken nicht nur in den eigenen Geschäften und Webseiten vertrieben hat, sondern auch über „Amazon.de“. 

In dem Depotvertrag zwischen den Parteien war ursprünglich bezüglich Internetvertrieb lediglich vereinbart, dass die „Führung eines anderen Namens oder die Einschaltung eines Drittunternehmens, für welches die Autorisierung nicht erteilt wurde“ nicht gestattet sei.

Nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 330/2010 überarbeitete Coty Germany ihre Depotverträge, sodass „der Depositär dazu berechtigt [ist], die Produkte im Internet anzubieten und zu verkaufen. Dies gilt jedoch nur unter der Bedingung dass der Depositär sein Internet-Geschäft als ‚elektronisches Schaufenster‘ des autorisierten Ladengeschäfts führt und dass hierbei der Luxuscharakter der Produkte gewahrt bleibt.“ Zudem enthält die Klausel das Verbot einen Drittunternehmer einzuschalten, der nicht Vertragspartner von Coty ist. Dieser Änderung wollte die Parfümerie Akzente nicht zustimmen, worauf Coty Germany Klage erhob. 

Die Vorlagefragen

Das OLG Frankfurt entschied sich in der Folge das Verfahren auszusetzen und ein Vorabentscheidungsverfahren an den EuGH zur Klärung folgender Fragen anzustrengen:

  1. Können selektive Vertriebssysteme, die auf den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichtet sind und primär der Sicherstellung eines „Luxusimages“ der Waren dienen, einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen?
  2. Falls die Frage zu 1 bejaht wird:

Kann es einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen, wenn den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems pauschal verboten wird, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, ohne dass es darauf ankommt, ob im konkreten Fall die legitimen Qualitätsanforderungen des Herstellers verfehlt werden?

  1. Ist Art. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 330/2010 dahin auszulegen, dass ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, eine bezweckte Beschränkung der Kundengruppe des Einzelhändlers darstellt?
  2. Ist Art. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 330/2010 dahin auszulegen, dass ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, eine bezweckte Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher darstellt?

Die Entscheidung des EuGH

Der Gerichtshof der EU  stellt in Übereinstimmung mit den Schlussanträgen des Generalanwalts sowie bisheriger Judikatur fest, dass selektive Vertriebssysteme  für Luxuswaren, die primär der Sicherstellung des Luxusimages dieser Waren dienen, nicht gegen das unionsrechtliche Kartellverbot verstoßen (1.), sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:

Die Auswahl der Wiederverkäufer muss anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgen, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, und die festgelegten Kriterien dürfen nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Dabei beruht die Qualität solcher Luxuswaren nach dem EuGH nicht alleine auf ihren materiellen Eigenschaften, vielmehr muss  auch das Prestige dieser Waren miteinbezogen werden. Dazu kann auch eine bestimmte Präsentation beitragen, die durch diese selektiven Verträge sichergestellt werden soll. 

Ferner stellt der EuGH fest, dass das Kartellverbot in Art. 101 Abs. 1 AEUV unter bestimmten Bedingungen auch nicht einer Vertragsklausel entgegensteht, die autorisierten Händlern eines selektiven Vertriebssystems für Luxuswaren, das im Wesentlichen darauf gerichtet ist, das Luxusimage dieser Waren sicherzustellen, verbietet, beim Verkauf der betreffenden Waren im Internet nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten. Voraussetzung für die Vereinbarkeit einer solchen Klausel mit dem Kartellverbot ist, dass sie (a) das Luxusimage der betreffenden Waren sicherstellen soll, (b) einheitlich festgelegt und ohne Diskriminierung angewandt wird, und (c) in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel steht. Das von einem Anbieter von Luxuswaren an seine autorisierten Händler gerichtete Verbot, beim Internetverkauf dieser Waren nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, ist aus Sicht des EuGH geeignet, das Luxusimage der Waren sicherzustellen. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt das Verbot aus Sicht des EuGH insbesondere mangels einer Vertragsbeziehung zwischen dem Anbieter und den Drittplattformen, die es dem Anbieter erlauben würde, von den Plattformen die Einhaltung der Qualitätsanforderungen zu verlangen, die er seinen autorisierten Händlern auferlegt hat. Eine Möglichkeit für die Händlern, solche Plattformen unter der Bedingung einzuschalten, dass sie vordefinierte Qualitätsanforderungen erfüllen, erreicht aus Sicht des EuGH nicht das gleiche Schutzniveau bei der Wahrung des Luxusimage..

Das Gericht hat zu Fragen 3. und 4. gemeinsam entschieden und festgehalten, dass für den Fall, dass das Oberlandesgericht Frankfurt zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die streitige Klausel grundsätzlich unter das unionsrechtliche Kartellverbot fällt, nicht ausgeschlossen sei, dass für die Klausel eine Gruppenfreistellung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Abs. 3 AEUV auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. 2010, L 102, S. 1) in Betracht komme.

Letztlich liege im vorliegenden Einzelfall weder eine unzulässige Beschränkung der Kundengruppe, noch eine des passiven Verkaufs an Endverbraucher vor. Der Gerichtshof nimmt an, dass die Kundengruppe Onlinekäufer nicht trennbar ist in die Käufer auf der eigenen und die Käufer auf der Seite von Drittanbietern, wodurch die Gruppe an sich nicht ausgeschlossen bzw. beschränkt wird. Zudem nimmt es an, dass die Erreichbarkeit der Produkte wie auch der Seite bereits durch Werbung und Ergebnisse auf Suchmaschinen ausreichend gegeben ist, sodass durch die Einschränkung bei Drittanbietern keine wesentliche Beschränkung des passiven Verkaufes stattfinde. 

Fazit

Die abschließende Entscheidung über die Vereinbarkeit der Depotverträge der Coty Germany mit Kartellrecht obliegt nunmehr dem OLG Frankfurt. Jenseits der auf der Grundlage des EuGH-Urteils zu vermutenden Entscheidung des EuGH pro Kartellrechtskonformität ist die Entscheidung auch medienrechtlich interessant: So könnte sie zum einen parallel zur aktuellen Debatte über eine Reform der Plattformregulierung einen gewissen zusätzlichen Impuls auslösen, dass ein stärkerer Wettbewerb auf dem Markt der Plattformanbieter auch im Interesse geschäftlicher Plattformnutzer liegen kann. Zum anderen unterstreicht sie die Bedeutung von Suchmaschinenbetreibern auf dem Felde der (auch in ökonomischen Zusammenhängen bedeutsamen) Vielfaltssicherung.

 

Das Urteil des EuGH in deutscher Sprache finden Sie hier. Die kurze Pressemitteilung gibt es hier

In anderen Medien:

LTO