Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 07. August (Rechtssache C-161/17, Land Nordrhein-Westfalen ./. Dirk Renckhoff) entschieden, dass das Einstellen einer Fotografie auf einer öffentlich zugänglichen Webseite auch dann der Zustimmung des Urhebers bedarf, wenn die Fotografie bereits zuvor auf einer anderen Webseite im Einverständnis des Urhebers frei und uneingeschränkt zugänglich war. Damit schlägt der EuGH eine etwas andere Richtung ein als in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Urheberrechtsrelevanz von Verlinkungen beim Recht der öffentlichen Wiedergabe.
Die Entscheidung beruht auf einer Vorlagefrage aus Deutschland. Auf der Webseite eines Reisemagazins wurde mit Zustimmung des Fotografen eine Fotografie der spanischen Stadt Córdoba eingestellt. Eine Schülerin einer in NRW gelegenen Sekundarschule (Gesamtschule Waltrop) verwendete dieses Foto, um ihr Referat in ihrer Spanisch-AG bildlich zu untermalen. Das Referat wurde anschließend inklusive des Fotos von der Reisemagazin-Webseite auf der Internetpräsenz der Schule hochgeladen und somit Besuchern frei zur Verfügung gestellt. Der Fotograf und damit Inhaber der Urheberrechte an dem Foto sah darin eine Verletzung seiner urheberrechtlichen Interessen und ging gerichtlich im Wege einer Unterlassungs- und Schadensersatzklage gegen die Stadt Waltrop und das Land NRW vor. Während das Landgericht Hamburg (Entscheidung vom 22.01.2013, Az. 310 O 27/12) der Klage statt gab und das Land zur Entfernung der Fotografie sowie zur Zahlung von 300 Euro zuzüglich Zinsen verurteilte, sah das Oberlandesgericht Hamburg (Entscheidung vom 03.12.2015, Az. 5 U 38/13) in der Berufungsinstanz nur einen Unterlassungsanspruch unter dem Aspekt der Störerhaftung (§ 97 Abs. 1 UrhG) als gegeben an. In der Revisionsinstanz entschied der Bundesgerichtshof (Beschluss des I. Zivilsenats vom 23.2.2017, Az. I ZR 267/15) das Verfahren auszusetzen und dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen: „Stellt die Einfügung eines auf einer fremden Internetseite mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene öffentlich zugängliche Internetseite ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, wenn das Werk zunächst auf einen Server kopiert und von dort auf die eigene Internetseite hochgeladen wird?„
Der EuGH bejahte diese Frage nunmehr auf Basis einer Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG. Der Gerichtshof stellt dabei fest, dass die Einstellung einer Fotografie, die im konkreten Fall als urheberrechtlich geschütztes Werk zu werten sei, eine „Zugänglichmachung“ und folglich eine „Handlung der Wiedergabe“ im Sinne der Richtlinie darstelle, da hierdurch den Besuchern der Website der Schule, der Zugang ermöglicht werde. Diese wiederum seien auch als neues Publikum zu sehen, da der Urheber mit seiner ursprünglichen Zustimmung zur Veröffentlichung des Fotos auf dem Reiseportal nicht an dieses Publikum gedacht habe. Der vorliegende Fall – so der EuGH weiter – sei insbesondere nicht mit den Fällen der Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Werken mittels einer Verlinkung vergleichbar, sodass die hierzu entwickelten Grundsätze nicht anwendbar seien. Im Unterschied zu einem Hyperlink, der zum guten Funktionieren des Internets beitrage, trage die der Upload eines Werks auf eine Website nicht in gleichem Maße zu diesem Ziel bei. Für diese (erneute und separate) öffentliche Wiedergabe sei damit eine (erneute und separate) Zustimmung des Urhebers erforderlich. Der EuGH betonte dabei insbesondere, dass, wenn man dies anders sehen würde, dem Urheber eines Werks die Möglichkeit genommen würde, die Ausübung seiner Rechte zu dessen Nutzung in digitaler Form durch einen Dritten zu beenden und dem Dritten dadurch jede künftige Nutzung dieses Werks in digitaler Form zu untersagen, ohne zuvor andere Förmlichkeiten beachten zu müssen. Dies sei aber mit den Zielen der Richtlinie, die ein angemessenes Schutzniveau für Urheber schaffen solle, nicht vereinbar.
Die besondere Umstände des Falles im Hinblick auf das in Art. 14 der Charta der Grundrechte genannte Recht auf Bildung, die insbesondere nach Auffassung des Lands NRW zu berücksichtigen seien, spielten für den Gerichtshof keine entscheidende Rolle. Die Bewertung, ob ein „neues Publikum“ durch die Einstellung des Fotos auf der Schulwebseite erreicht werde, hänge nicht davon ab, ob das Referat Bildungscharakter habe oder nicht, sondern von der tatsächlichen Zugänglichkeit für Webseitennutzer. Damit kam der Gerichtshof zu einer anderen Einschätzung als der Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona in seinen Schlussanträgen vom 25. April 2018 (RS.: C-161/17). Der Generalanwalt war insbesondere darauf eingegangen dass vor nicht allzu langer Zeit in Schulen noch auf Karton gefertigte Themenarbeiten gewöhnlich mit Fotografien illustriert und auch ausgestellt wurden, was üblicherweise von Urhebern geduldet wurde. Auch vor diesem Hintergrund kam der Generalanwalt zu dem gegenteiligen Ergebnis, dass das „Einstellen einer Schularbeit, die eine allen Internetnutzern frei und kostenlos zugängliche Fotografie enthält, ohne Gewinnerzielungsabsicht und unter Angabe der Quelle auf der Internetseite einer Schule stellt kein öffentliches Zugänglichmachen (darstelle), wenn dieses Bild bereits ohne Hinweis auf Nutzungsbeschränkungen auf dem Internetportal eines Reisemagazins veröffentlicht war.“.
Schließlich betont der Gerichtshof auch, dass es keine Rolle spiele, ob der Urheberrechtsinhaber die Möglichkeiten der Internetnutzer zur Nutzung der Fotografie nicht eingeschränkt habe.
Die Schlussanträge des Generalanwalts sind abrufbar unter
Die Pressemitteilung des EuGH zum Urteil vom 07. August ist abrufbar unter
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2018-08/cp180123de.pdf