In der Sitzung des Ausschusses für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments (CULT) vom 14. November 2022 hat Prof. Dr. Mark D. Cole, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Europäisches Medienrecht (EMR), die wesentlichen Ergebnisse der Studie vorgestellt, die er gemeinsam mit Christina Etteldorf, wissenschaftliche Referentin am EMR, zur Umsetzung der überarbeiteten Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) erstellt hat.

Die Untersuchung wurde von der Fachabteilung Struktur- und Kohäsionspolitik des Europäischen Parlaments in Auftrag gegeben, um die zukünftige Arbeit des CULT-Ausschusses an der überarbeiteten AVMD-Richtlinie zu unterstützen. Die durchgeführte Hintergrundanalyse behandelt die wichtigsten Neuerungen und Änderungen, die durch die Novelle der AVMD-Richtlinie durch die Richtlinie (EU) 2018/1808 und deren nationale Umsetzung eingeführt wurden. Sie befasst sich vor allem mit Implementierungsfragen bezüglich der Anwendung des Herkunftslandprinzips, der neuen Regeln für Video-Sharing-Plattformen sowie der Förderung von europäischen Werken und erörtert Fragen der Kohärenz und Konsistenz des geltenden und zukünftigen Rechtsrahmens, bevor sie mit einem Überblick über weitere relevante Aspekte abschließt, denen in Zukunft besonderes Augenmerk gebührt.

In seiner Präsentation hebt Cole hervor, dass die Überarbeitung der AVMD-Richtlinie 2018 bedeutende Neuerungen in dem Bemühen um (weitere) regulatorische Konvergenz bei der Verbreitung audiovisueller Inhalte gebracht hat. Insbesondere seien Klarstellungen und Änderungen in Bezug auf Ausnahmen zum Herkunftslandprinzip vorgenommen worden. Die ersten  praktischen Anwendungsfälle zeigten aber, dass weiterhin und – vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen in der Medienlandschaft – gesteigerter Bedarf bestehe, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Vertrauen auf das Herkunftsland und der Wahrung grundlegender Prinzipien in den Mitgliedstaaten, die von rechtswidrigen Inhalten nicht unter ihre Rechtshoheit fallender Anbieter adressiert werden, zu finden. Auch die neuen Regeln für VSPs seien ein wichtiger Schritt in Richtung einer konvergenteren Regulierung des audiovisuellen Sektors. Hier gestalte sich aber eine Bewertung der praktischen Wirksamkeit derzeit noch schwierig, und müsse einem Zeitpunkt vorbehalten bleiben, in dem die Umsetzung in den relevanten Mitgliedstaaten abgeschlossen und die tatsächliche Umsetzung in der Praxis erprobt worden sei. Bereits jetzt lasse sich aber feststellen, dass funktionierende Kooperationsmechanismen zwischen den europäischen audiovisuellen Regulierungsbehörden eine Schlüsselrolle einnehmen werden. Auf der Grundlage der neuen Vorschriften zur Förderung europäischer Werke, die insbesondere hinsichtlich des Anteils und der Herausstellung in Katalogen von audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf in den Mitgliedstaaten größtenteils einheitlich und eng orientiert an der AVMD-Richtlinie umgesetzt wurden, ist laut Cole zu erwarten, dass die Einführung strengerer Vorschriften für Abrufdienste zu einer weiteren Verstärkung der unterstützenden Wirkung für den europäischen audiovisuellen Markt führen werde. Bezugnehmend auf die Ausführungen in der Hintergrundanalyse verweist Cole schließlich auf Bedenken hinsichtlich der angemessenen Positionierung der AVMD-Richtlinie im bestehenden und künftigen Regulierungsrahmen hervor, die sich aus kürzlich verabschiedeten oder vorgeschlagenen Gesetzesinitiativen auf EU-Ebene und deren Verhältnis zum audiovisuellen Rechtrahmen ergäben.

In seinen auf der Hintergrundanalyse basierenden Empfehlungen spricht sich Cole dafür aus, die AVMD-Richtlinie als Kernstück der Regulierung audiovisueller Inhalte auf EU-Ebene weiter zu stärken. Unzulänglichkeiten innerhalb der AVMD-Richtlinie und Überschneidungen mit anderen Rechtsakten müssten behoben werden, vor allem im Zusammenhang mit Verfahren zur grenzüberschreitenden Rechtsdurchsetzung. Ein Schwerpunkt sollte auch auf der Untersuchung und Überwachung der praktischen Effektivität der von VSPs getroffenen Maßnahmen in den Bereichen Werbung, Jugendschutz und Schutz vor illegalen Inhalten liegen. Währenddessen sollte eventuellen zukünftigen Anpassungen im Bereich Förderung europäischer Werke eine eingehende Analyse der tatsächlichen Auswirkungen der nunmehr implementierten Bestimmungen auf den audiovisuellen Markt vorausgehen. Institutionelle Strukturen mit nationalen Behörden, die unabhängig von Markt und Politik agieren und auf europäischer Ebene ebenso unabhängig und effizient zusammenarbeiten, müssten für eine effektive, grundrechtskonforme Aufsicht sichergestellt werden. Reaktionen auf Anbieter, die unter der Kontrolle von Drittstaaten stehen, wie die Maßnahmen im Rahmen der AVMD-Richtlinie und die vom Rat ausgesprochenen wirtschaftlichen Sanktionen gegen russische Betreiber, zeigten, wie wichtig es sei, sich in Zukunft auf medienrechtlich fundierte und robuste Reaktionssysteme verlassen zu können. Um die Kohärenz und Konsistenz des Rechtsrahmens zu verbessern, sollte die Diskussion über vorgeschlagene Rechtsakte, namentlich den European Media Freedom Act, laut Cole im Zusammenhang mit der vom Europäischen Parlament durchzuführenden Analyse der Umsetzung der geltenden AVMD-Richtlinie gesehen werden. Insoweit bestehe auch weiterer Forschungsbedarf.

Die Aufzeichnung der Sitzung des CULT Ausschusses vom 14. November 2022 kann HIER abgerufen werden. 

Die Studie zur Implementierung der überarbeiteten AVMD-Richtlinie von Mark D. Cole und Christina Etteldorf wird in Kürze auf der Webseite des Europäischen Parlaments offiziell veröffentlicht werden. 

 Über die Sitzungsdokumentation können die Dokumente allerdings bereits vorab abgerufen werden:

Background Analysis AVMSD Implementation

Recommendations Briefing AVMSD Implementation

 

 

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