Die Erweiterte Kollektive Lizenz (EKL) ist ein Lizenzmodell, das es einer Verwertungsgesellschaft ermöglicht, Nutzern die Verwertung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Gegenständen auch dann wirksam vertraglich zu gestatten, wenn originäre Rechteinhaber selbst keinen Wahrnehmungsvertrag mit der Verwertungsgesellschaft abgeschlossen haben. Das in den nordischen Ländern längst praktizierte Instrument ist nunmehr unionsrechtlich in Art. 8 Abs. 1 der DSM-Richtlinie der Europäischen Union als zwingende Vorgabe bei der Nutzung von vergriffenen Werken und in Art. 12 der DSM-Richtlinie als mitgliedstaatliche Regelungsoption für alle übrigen Schutzgegenstände vorgesehen. Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben und Möglichkeiten in §§ 51 ff. VGG umgesetzt. Jetzt geht es darum, das Modell der EKL mit Leben zu füllen und ihr Potential, aber auch ihre Risiken auszuloten.

Zu diesem Thema haben das Institut für Urheber- und Medienrecht IUM und das EMR am Freitag, dem 11. Februar 2022 ein Online-Symposion veranstaltet.

Nach einer Begrüßung und Einführung in das Thema durch die beiden Gastgeber Prof. Dr. Michael Grünberger, LL.M. (NYU), Direktor des IUM und Prof. Dr. Stephan Ory, Direktor des EMR, referierten im ersten Panel Prof. Dr. Jens Hemmingsen Schovsbo, LL.M. (Exeter) von der Universität Kopenhagen und Ass.-Prof. Dr. Christian Handke, M.A. von der Erasmus Universität Rotterdam zu Funktion und Erfahrung des Instruments und gaben einen rechtlichen bzw. volkswirtschaftlichen Einblick in die Materie. Insbesondere Schovsbo konnte in seinem auf Englisch gehaltenen Vortrag (Präsentation unter https://www.urheberrecht.org/events/20220211_Schovsbo.pdf) einen vertieften Erfahrungsbericht beitragen, existieren EKL in den nordischen Staaten doch seit etwa 60 Jahren. Das als erfolgreich bewertete Instrument sei jedoch nur zu verwenden, wenn eine Einzellizenzierung zu aufwändig und unpraktisch ist. Schovsbo stellte die Verankerung der EKL im Recht der Europäischen Union und das Verhältnis zum Berner Übereinkommen zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst dar. Er schloss mit der Feststellung, dass EKL für kleine und transparente Märkte entwickelt wurden und dort sehr gut funktionierten. Sie hätten sich nun bemerkenswert ausgebreitet, aber es stelle sich die Frage, ob es eine inhärente Limitierung ihrer Anwendungsmöglichkeiten gäbe. Eine gänzlich andere Perspektive nahm Handke ein (Präsentation unter https://www.urheberrecht.org/events/20220211_Handke.pdf), der sich mit Marktbedingungen, Transaktionskosten und der Rolle der Verwertungsgesellschaften befasste. E stellte fest, dass die EKL ökonomisch begründbare einschlägige Zielkonflikte begründe und ihr etwaiger gesamtgesellschaftlicher Nutzen von der Leistung der jeweiligen Verwertungsgesellschaft abhänge. Als Default mit gut geregeltem Opt-out erscheine die EKL ohne große Risiken und effektiv, um die Teilnahme am VG-System zu erhöhen. Das System sei aus ökonomischer Sicht aber verbesserungsbedürftig, wobei entsprechende Maßnahmen empirisch gründlich vorbereitet werden sollten.

Im zweiten Panel befassten sich Dr. Urban Pappi von der VG Bild-Kunst und Moritz Sutterer vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb mit Chancen und Herausforderungen der EKL im neuen Urheberrecht. Pappi berichtete insbesondere über Praxiserfahrungen der deutschen Verwertungsgesellschaften (Präsentation unter https://www.urheberrecht.org/events/20220211_Pappi.pdf) und referierte zu den in § 51 VGG verankerten allgemeinen EKL. Pappi unterstrich die Pflicht von Plattformbetreibern zum Lizenzerwerb und bewertete die Social-Media-Bildlizenz als EKL nach ihren Chancen für Lizenzgeber und Rechteinhaber, aber auch ihren sich gesetzlich ergebenden Herausforderungen wie die Nutzungsbeschränkung aufs Inland oder eventuelle Widersprüche Außenstehender. Sutterer brachte nach der nationalen Perspektive den europäischen Blickwinkel ins Spiel (Präsentation unter https://www.urheberrecht.org/events/20220211_Sutterer.pdf) und widmete sich unter anderem dem EU-Binnenmarkt hinsichtlich der EU-weiten Verbreitung und Zugänglichkeit von Inhalten. Er analysierte mit Blick auf das anwendbare Recht das Verhältnis zur Rom II-Verordnung der Europäischen Union und kam, insoweit Pappi bestätigend, zu dem Schluss, dass eine deutsche EKL nur eine inländische Nutzung erlaube. Einen Schwerpunkt legte Sutterer auf den einschlägigen Schutz vergriffener Werke und die darauf anwendbaren Vorschriften der DSM-Richtlinie der Europäischen Union.

Im abschließenden Panel stellten Dr. Albrecht Conrad, LL.M. (Columbia) von der Kanzlei Hengeler Mueller, Dr. Robert Staats von der VG WORT und Dagmar Schmidt vom Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler die Praxisperspektive dar. Damit ergänzten sie die Darstellungen ihrer Vorredner aus den ersten, von Grünberger moderierten, Panels, insbesondere Staats, der in Vervollständigung des Vortrags Pappis die speziellen EKL gemäß § 52 VGG beleuchtete. Zudem diente die abschließende Sichtweise von Schmidt, selbst bildende Künstlerin, als Abrundung der überwiegend juristisch geprägten Präsentationen des Symposions. Das Panel ergab, dass die Verwertungsgesellschaften darüber nachdenken. wie sie mit dem in Deutschland neuen Instrument umgehen sollten. Conrad betonte in diesem Zusammenhang, dass ein vorsichtiger Start angebracht wäre.