Etwas mehr als ein Jahr nach Veröffentlichung des Verordnungsvorschlags für ein Gesetz über digitale Dienste (DSA) durch die Europäische Kommission, befinden wir uns an einem Punkt, an dem der Rat und das Europäische Parlament ihre Basis-Verhandlungspositionen gefunden haben. Die ersten beiden Termine für die Trilogverhandlungen haben bereits Ende Januar und Mitte Februar stattgefunden, weitere sind für Mitte Märze und April (Stand jetzt) geplant.
Der Mediensektor sollte dabei einen genauen Blick auf den Trilog werfen, betreffen die vorgeschlagenen Regeln zur Regulierung von Online-Vermittlungsdiensten doch insbesondere Online-Verbreitungswege für (mediale) Inhalte und den Umgang mit illegalen Inhalten. Vor allem geht es dabei um Haftungsfragen, mehr Transparenz auf Plattformen und die Gewährleistung von Nutzerrechten. Aber auch neue Regeln für eine effektive(re) Überwachung und Rechtsdurchsetzung werden angestrebt, wobei neue Zuständigkeiten für die sog. Koordinatoren für digitale Dienste sowie Kooperationsmechanismen vorgeschlagen werden und die Kommission eine stärkere Rolle dabei einnehmen soll.
In unserem heutigen Webinar „DSA vor dem Trilog – Wo stehen wir, wie geht es weiter?“ hat Prof. Dr. Mark D Cole, wissenschaftlicher Direktor des EMR, den aktuellen Diskussionsstand in aufbereiteter Form dargestellt und dabei besonderes Augenmerk auf die Perspektive des Mediensektors gelegt. Das Webinar stellen wir Ihnen hiermit auch als VoD zur Verfügung.
Nach einer generellen inhaltlichen und zeitlichen Einordnung des DSA, seiner Rechtsnatur, Zielsetzung und den von ihm adressierten digitalen Diensten, legte Cole besonderes Augenmerk zunächst auf den Anwendungsbereich. An dem derzeitigen Diskussionstand zu Art. 1 Abs. 5 und den Erwägungsgründen 9 f. lasse sich erkennen, dass die kohärente Einfügung des horizontalen Regelungswerks in den sektoralen Rahmen ein wichtiges Thema sei. Sowohl Parlament als auch Rat nehmen hier im Vergleich zum Kommissionsvorschlags weitere Konkretisierungen vor. Interessant sei dabei vor allem der Vorschlag des Parlaments, mit einem neuen Art. 1a Abs. 4 der Kommission eine Leitlinienbefugnis zur Konkretisierung des Verhältnisses von DSA mit den als unberührt bleibend aufgeführten Rechtsakten (wie zum Beispiel der AVMD-Richtlinie) zu übertragen.
In Bezug auf das Kapitel zur Haftung unterstrich Cole als markante Punkte für den Trilog vor allem die Positionen des Parlaments in Bezug auf die Klausel zu freiwilligen Untersuchungen der Vermittlungsdienste (Art. 6) und das Verbot der Auferlegung allgemeiner Überwachungspflichten (Art. 7) . So hebt die Position des Parlaments, die nun (auch) Grundlage für die Trilogverhandlungen ist, etwa hervor, dass solche freiwillige Untersuchungen bestimmten Kriterien entsprechen müssen, also zum Beispiel mit angemessenen Schutzmaßnahmen einhergehen müssen. Art. 7, der zuvor in der e-Commerce-Richtlinie nur als allgemeine „Schranke“ zur Verfestigung der Haftungsprivilegien diente, werde in Bezug auf aktuelle Gegebenheiten und Entwicklungen der Online-Umgebung aus Sicht des Parlaments deutlich erweitert. Hier werde ein Bekenntnis zur menschlichen (nicht automatisierten und algorithmischen) Inhalte-Moderation im Blick auf Gefahren für die Meinungsfreiheit, zur Bedeutung von Datensicherheit im Kontext von Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen, zum Verbot einer generellen Online-Klarnamenpflicht und der Abkehr von daten“finanzierten “ Geschäftsmodellen in den Text eingefügt.
Auch in Bezug auf den Pflichtenkatalog des DSA gebe es offenbar noch einigen Diskussionsbedarf. Dabei ging Cole insbesondere auf die Vorschriften zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Art. 12), das Melde- und Abhilfeverfahren (Art. 14), die Regeln für vertrauenswürdige Hinweisgeber (Art. 19), die Nachverfolgbarkeit von Unternehmen (Art. 22) und zur Transparenz der Online-Werbung (Art. 24 und 30) sowie von Empfehlungssystemen (Art. 30) näher ein. Sowohl von Seiten des Rates als auch des Parlaments würde hier an einigen wichtigen Stellschrauben im Vergleich zum Kommissionsvorschlag gedreht werden. Gesondert wies Cole auch auf die Vorschläge seitens des Parlaments für eine Erweiterung der (hier: antragsgebundenen) Ausnahme von den Verpflichtungen des 3. Abschnitts für Vermittlungsdienste in Form von gemeinnützigen oder mittleren Unternehmen (die keine systemischen Risiken darstellen) hin sowie einen neuen Art. 24a zur Transparenz von Empfehlungssystem und neuen Art. 24b mit zusätzlichen Verpflichtungen für Plattformen, die in erster Linie für die Verbreitung von von Nutzern erzeugten pornografischen Inhalten verwendet werden.
Abschließend wies Cole darauf hin, dass die vorgenannten Haftungsprivilegien und Pflichtenkataloge auch im Licht des „neuen“ Systems der Überwachung und Rechtsdurchsetzung zu betrachten seien, dessen eingehende Betrachtung aber den Rahmen des Webinars sprengen würde.