Zehntausende Menschen werden jedes Jahr in Deutschland promoviert, und nicht alle von ihnen dürften bei der Erstellung ihrer Dissertation redlich vorgegangen sein. Dr. Jochen Zenthöfer, Jurist und freier Journalist, geht davon aus, dass bei etwa 10% der Doktorarbeiten – in absoluten Zahlen 3.000 pro Jahr – Plagiate vorliegen. Zenthöfer hat im Mai 2022 sein Buch „Plagiate in der Wissenschaft. Wie ‚VroniPlag Wiki‘ Betrug in Doktorarbeiten aufdeckt“ zur Thematik veröffentlicht. Aus diesem Anlass haben das EMR und das Saarbrücker Informations- und Medienrechtliches Kolloquium Zenthöfer am 28. Juni 2022 zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion an die Universität des Saarlandes eingeladen. Die Veranstaltung fand hybrid statt.

Das internationale Publikum, darunter auch „Plagiatsjäger“, hörten von Zenthöfer, dass Wissenschaftsplagiate insbesondere auf vier Ebenen, dem Urheberrecht, den Promotionsordnungen der Universitäten, der guten wissenschaftlichen Praxis sowie speziell in der Öffentlichkeit der ethischen Ebene, Relevanz zukomme. Zenthöfer, der selbst unter anderem für die Frankfurter Allgemeine Zeitung zum Thema berichtet, führte an die Materie heran, indem er eine Definition sowie mehrere anschauliche Beispiele für Plagiate vorstellte. Anhand der Beispiele konnte er aufzeigen, dass selbst beim Abschreiben Fehler unterlaufen können, die teilweise völlig sinnentstellend sind – ohne dass dies in den genannten Fällen aufgefallen wäre. Zenthöfer erläuterte, durch wen und wie Plagiate schließlich entdeckt werden: dass es sich häufig um händische und „brainische“ Arbeit Einzelner handelt, die sich Satz für Satz durch ein Werk arbeiten und mithilfe von Online-Suchmaschinen die Originaltexte ausfindig machen. Plagiatssoftware sei fehleranfällig und entdecke bei weitem nicht alle Plagiate, sodass Wissenschaftlerinnen, Rezensenten, Plagiatsjäger oder interessierte Leserinnen die Programme höchstens als Ausgangspunkt für weitere Recherchen heranziehen könnten. Welche Konsequenzen Plagiatoren auf den verschiedenen Ebenen erwarten können – vom Entzug des Doktorgrades über Reputationsverluste (auch für Doktorväter und -mütter) oder berufliche Konsequenzen etwa aufgrund Dienstrechts – war ebenfalls Thema des Vortrags. Anhand eines Beispiels aus der Hochschullandschaft wies Zenthöfer jedoch auch nach, dass selbst der Entzug des Doktorgrades nicht zwingend zu einem Laufbahnende führt. Ohnehin ergab sich aus dem Vortrag, dass es immer wieder auch Universitätsprofessoren und -professorinnen sind, deren Doktorarbeiten Plagiate aufweisen. Im Zuge der sich anschließenden Diskussion mit dem Publikum vor Ort und online ergab sich, dass sich im universitären Kontext die Plagiatsproblematik auch bereits bei Zwischen-, Seminar- oder Abschlussarbeiten zeigt. Nicht immer sei es einfach, Studentinnen und Studenten entsprechend zu sensibilisieren und – auch ungewolltes – Abschreiben sowie fehlerhaftes Zitieren zu verhindern.

Zenthöfer berichtete daneben von seinen Erfahrungen aus der journalistischen Tätigkeit im Umgang mit Plagiatoren, etwa vom Balanceakt zwischen der Information über das Vorliegen eines Plagiatsverdachts oder tatsächlichen Plagiats und dem Schutz der Betroffenen, die sich häufig aufgrund der Offenlegung in einer psychischen Belastungssituation befänden. Er gab aber auch einen Einblick in Konsequenzen, denen sich Journalistinnen und Journalisten stellen müssen: Von Gerichtsverfahren, die sich im Fall Zenthöfers bis zum BGH (vor dem Zenthöfer recht bekam) erstreckten, oder Drohungen. Abschließend gab Zenthöfer seinen Zuhörerinnen und Zuhörern einige im Anschluss kritisch diskutierte Ideen an die Hand, wie Wissenschaftsplagiate, insbesondere im Kontext von Doktorarbeiten, wenn nicht verhindert, so doch zumindest der Anzahl nach reduziert werden könnten, darunter die Einberufung von externen Zweitgutachtern, die Veröffentlichung der Gutachten, aber auch die Reduzierung der Anzahl der Promotionsvorhaben.

Der hoch interessante Vortragsabend schloss mit einem Umtrunk vor dem Gebäude der Juristischen Fakultät.

Dr. Jochen Zenthöfers Buch „Plagiate in der Wissenschaft. Wie ‚VroniPlag Wiki‘ Betrug in Doktorarbeiten aufdeckt“ ist bei transcript erschienen.

Buchcover Zenthöfer

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