Aufbauend auf der Mitteilung der Europäischen Kommission zur „Bekämpfung von Desinformation im Internet: ein europäisches Konzept“ aus April 2018 wurde im Oktober 2018 der Verhaltenskodex zur Desinformation (Code of Practice on Disinformation, CPD) vorgestellt – ein Instrument der Selbstregulierung, das darauf abzielt Maßnahmen zu identifizieren, die die Unterzeichner ergreifen könnten, um die sich aus der Verbreitung von Desinformation ergebenden Herausforderungen anzugehen und effektive Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Begleitet wird der CPD von einem Anhang mit Best Practices, die die Unterzeichner zur Umsetzung der Verpflichtungen des Kodex umsetzen sollen und an deren Entwicklung sie beteiligt waren. Angeschlossen haben sich der Selbstverpflichtung bereits große Plattformen wie Facebook, Google, Twitter, Mozilla, Microsoft und TikTok sowie einige Anbieter aus der Werbeindustrie.
Dass im Bereich der Desinformation aber weiterhin Verbesserungsbedarf besteht, haben nicht zuletzt die Pandemie und die in diesem Zusammenhang an vielen Stellen online verbreiteten falschen Informationen gezeigt. Die Kommission hat dies in ihrem Programm zur Überwachung von Desinformation im Zusammenhang mit COVID-19 festgestellt und auch in ihrer Bewertung des Kodex im September 2020 nochmals unterstrichen. Die darin festgestellten Mängel in Bezug auf die eingeführten Mechanismen zur effektiven Bekämpfung greift sie – als Teil des Europäischen Aktionsplan für Demokratie (EDAP) – wiederum in ihren nun veröffentlichten Leitlinien zur Stärkung des Verhaltenskodex zur Desinformation auf und schlägt eine Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten vor.
Hierzu gehören insbesondere folgende Vorschläge:
- Durch angepasste Verpflichtungen innerhalb des Kodex sollen weitere Plattformen zur Selbstverpflichtung bewogen werden;
- Um die Finanzierung von Desinformation zu unterbinden, sollen nicht nur Transparenz und Rechenschaftspflicht im Zusammenhang mit Werbeplatzierungen verbessert werden, sondern Unterzeichner sollen in bestimmten Fällen auch Akteure, die systematisch Falschinformationen verbreiten, gezielt vom Angebot (und Werbeeinahmen) ausschließen;
- Der Kodex soll zukünftig alle bestehenden oder sich abzeichnenden Formen von manipulativem Verhalten (Bots, Scheinkonten, organisierte Manipulationskampagnen, Kontoübernahmen, etc) umfassend abdecken und maßgeschneiderte Verpflichtungen enthalten, um Transparenz und Rechenschaftspflicht zu gewährleisten;
- Die Kompetenz der Nutzer, Desinformation erkennen und melden zu können soll durch entsprechend eingerichtete, transparente und leicht zugängliche Instrumente gestärkt werden
- Die Faktenprüfung soll – auch in der Zusammenarbeit – ausgeweitet und der Zugang zu Daten für Forschende soll verbessert werden;
Bedeutend ist aber auch und vor allem der neue Kontrollrahmen der von der Kommission avisiert wird: Es soll in Zukunft einen verbesserten Überwachungsrahmen geben, anhand dessen die Ergebnisse und Auswirkungen der von den Plattformen ergriffenen Maßnahmen sowie die allgemeinen Auswirkungen des Kodex auf Desinformation in der EU gemessen werden. Die Plattformen sollten der Kommission hierzu regelmäßig über die ergriffenen Maßnahmen und ihre relevanten zentralen Leistungsindikatoren Bericht erstatten. Informationen und Daten sollten von den Plattformen in standardisierten Formaten aufgeschlüsselt nach Mitgliedstaaten bereitgestellt werden. Zudem sehen die Leitlinien die Einrichtung eines Transparenzzentrum zur Zusammenarbeit untereinander und mit der Kommission sowie einer ständigen Taskforce unter dem Vorsitz der Kommission vor. Letztere würde sich aus den unterzeichnenden Parteien, Mitgliedern des Europäischen Auswärtigen Dienstes, der Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) und der Europäischen Beobachtungsstelle für digitale Medien (EDMO) zusammensetzen.