Im Zuge der Digitalisierung und dem Vormarsch sozialer Netzwerke nimmt der Verbreitungsgrad von Hasskommentaren (Hate Speech) sowohl in Intensität als auch in Häufigkeit stetig zu. Nutzer, die selbst auf ihren Facebook-Walls, Twitter-Profilen und YouTube-Kanälen zu Inhalteanbieter werden, vergessen teilweise jedwede gute Kinderstube in der Formulierung ihrer Meinungen zu bestimmten Themen. Ehrverletzende Postings, die zudem noch von der gesamten Öffentlichkeit frei abgerufen werden können, sind zur Tagesordnung geworden. So gaben nach einer von der Landesanstalt für Medien NRW in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage 67 % der befragten privaten Internetnutzer über 14 Jahren an, bereits Hasskommentare im Internet gesehen zu haben. Daher ist das Thema zurzeit auch in aller Munde – ob in Zusammenhang mit den Diskussionen rund um das gerade erst in Kraft getretene Netzwerkdurchführungsgesetz (NetzDG) auf nationaler Ebene oder mit der Thematik der Fake News, bei der das EMR erst kürzlich über die Bestrebungen der Kommission auf europäischer Ebene berichtete. Diesen Entwicklungen entspricht es, dass nun auch vermehrt Fragen zu rechtlichen Gesichtspunkten des Vorgehens gegen Hate Speech aufkommen. Der Oberste Gerichtshof Österreichs (OGH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit seinem Beschluss vom 25. Oktober 2017 einige dieser Fragen zur Entscheidung vorgelegt. 

Die Entscheidung behandelt einen Fall aus Österreich, der die Veröffentlichung eines Hasskommentars auf dem sozialen Netzwerk Facebook betrifft. Ein unter der Bezeichnung „Michaela Jaskova“ registrierter privater Nutzer der Plattform teilte am 3. April 2016 einen News-Artikel bestehend aus einem Foto einer österreichischen Abgeordneten zum Nationalrat sowie einem Begleittext, in dem es um die Positionierung in der Flüchtlingspolitik ging, und bezeichnete die Politikerin in seinem Kommentar unter anderem als „miese Volksverräterin“, „korrupte(s) Trampel“ das „in ihrem ganzen Leben noch keinen einzigen Cent mit ehrlicher Arbeit verdient“ habe und die Partei als „Faschistenpartei“. Die Politikerin wandte sich zwecks Löschung und Nennung des wahren Namens sowie der Daten des Nutzers zunächst direkt und nach Erfolglosigkeit dessen im Wege der einstweiligen Verfügung gerichtlich an Facebook, das den Kommentar dann löschte. Im Klageweg macht die Abgeordnete nunmehr weiter einen Unterlassungsanspruch gegen Facebook geltend, den sie unter anderem damit begründet, dass Facebook die kredit- und ehrschädigende Wirkung des Kommentars nach einer groben Prüfung problemlos hätte erkennen können und somit verpflichtet gewesen sei, den Beitrag zu löschen. Da sie die Löschung nicht veranlasst habe, könne sie sich auch nicht auf das Haftungsprivileg für Host-Provider nach § 16 E-Commerce-Gesetz berufen. Facebook entgegnete dem, dass man erst dann reagieren müsse, wenn Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information erlangt werde und die Rechtswidrigkeit für einen juristischen Laien erkennbar sei, wobei dies auf den Kommentar, der in Zusammenhang mit einem kontrovers diskutierten Thema stehe, nicht zutreffe. 

Der OGH war sich der Auslegung und Reichweite der gesetzlichen Grundlage im österreichischen E-Commerce-Gesetz in Zusammenhang mit solchen Hasskommentaren jedoch nicht sicher, da diese die jeweiligen Vorgaben aus der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, E-Commerce-Richtlinie, ECRL) umsetzen und daher an den dortigen Anforderungen zu messen sind. Aus diesem Grund legte er dem EuGH die folgenden Fragen vor:

  1. Steht Artikel 15 Absatz 1 der ECRL allgemein einer der nachstehend angeführten Verpflichtungen eines Host-Providers, der rechtswidrige Informationen nicht unverzüglich entfernt hat, entgegen, und zwar nicht nur diese rechtswidrige Information im Sinn des Artikel 14 Absatz 1 litera a) der Richtlinie zu entfernen, sondern auch andere wortgleiche Informationen:
    – weltweit?
    – im jeweiligen Mitgliedstaat?
    – des jeweiligen Nutzers weltweit?
    – des jeweiligen Nutzers im jeweiligen Mitgliedstaat?
  2. Soweit Frage 1 verneint wurde: Gilt dies jeweils auch für sinngleiche Informationen?
  3. Gilt dies auch für sinngleiche Informationen, sobald dem Betreiber dieser Umstand zur Kenntnis gelangt ist?

Die Entscheidung des EuGH wird mit Spannung zu erwarten sein, nicht nur bezüglich genereller (durchsetzungs)rechtlicher Relevanz von Hate Speech, sondern insbesondere auch in Bezug auf die Problematik globaler Sperrverfügungen. Über diese Thematik hat das EMR bereits vor einigen Monaten am Rande einer Entscheidung des Canadian Surpreme Court berichtet.