Mit am 2. Dezember 2022 veröffentlichten Beschluss vom 20. Oktober 2022 hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde eines Musikers nicht zur Entscheidung angenommen, der sich gegen die Indizierung eines dem Genre „Gangsta-Rap“ zuzuordnenden Musikalbums aus Jugendschutzgründen wendet. Die Indizierung des Musikalbums verletze den Beschwerdeführer nicht in seiner Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
Der Beschwerdeführer ist Musiker im Genre „Gangsta-Rap“. Sein 2014 erschienenes Album „S.“ wurde von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nach einem Indizierungsverfahren nach § 18 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) in Teil A der Liste der jugendgefährdenden Medien eingetragen. Sein Inhalt sei geeignet, Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren: Insbesondere wirkten die Texte verrohend, verherrlichten einen kriminellen Lebensstil und insbesondere den Drogenhandel und diskriminierten Frauen und homosexuelle Menschen. Seitdem darf das Album gegenüber Kindern und Jugendlichen weder zugänglich gemacht noch beworben und verbreitet werden. Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten bis zum BVerwG blieb ohne Erfolg.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung seiner Kunstfreiheit. Die durch die Indizierung erfolgten Eingriffe in deren Wirkbereich seien nicht gerechtfertigt, weil die angegriffenen Entscheidungen auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruhten, das zudem in verfassungswidriger Weise angewandt worden sei.
Das BVerfG wies die Beschwerde zurück; sie habe keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen der Bundesprüfstelle und des Bundesverwaltungsgerichts verletzten die Kunstfreiheit des Beschwerdeführers nicht.
So bestünden keine Anhaltspunkte für die Verfassungswidrigkeit der §§ 15, 18 JuSchG. Das Argument, dass wegen eines veränderten Musiknutzungsverhaltens über das Internet das aktuelle Indizierungsverfahren nicht mehr geeignet sei, den Jugendschutz umfassend zu gewährleisten, überzeuge ebenso wenig wie das Argument, das JuSchG müsse als milderes Mittel gegenüber der Indizierung eines Gesamtalbums auch die Indizierung nur einzelner Titel vorsehen.
Auch die angegriffene fachgerichtliche Entscheidung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Entscheidung der Bundesprüfstelle sei den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechend umfassend überprüft und dabei die berührten Grundrechte hinreichend berücksichtigt worden. Die Feststellung, dass der mit der Indizierung einhergehende Eingriff in die Kunstfreiheit zu rechtfertigen ist, sei im Lichte des Jugendschutzes nicht zu beanstanden. Bundesprüfstelle und BVerfG hätten eine werkgerechte Interpretation unter Berücksichtigung der besonderen Charakteristika des Genres „Gangsta-Rap“ vorgenommen: musikalisch unterlegte und geführte Auseinandersetzung in harter Sprache als selbstermächtigende Reaktion auf Marginalisierung mit antikonventionellen Stilmitteln wie Übertreibung, Gewaltphantasien, Abwertung anderer Personen und Gruppen, Provokation und sogenanntes „Posing“ als betonte Selbstermächtigung. Eine Niveau-, Stil- oder Inhaltskontrolle sei nicht vorgenommen worden. Die Erwägung, vorliegend wegen der fehlenden Distanzierung des Beschwerdeführers von den dem Wortlaut nach unbestritten frauenverachtenden, homophoben und gewaltverherrlichenden Textpassagen dem Jugendschutz gegenüber der Kunstfreiheit Vorrang einzuräumen, sei nachvollziehbar und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Argumentation des Beschwerdeführers, dass bei werkgerechter Interpretation mit den Texten keine Herabwürdigung von Frauen, Homosexuellen oder Schwachen verbunden sei, Gewalt nicht glorifiziert werde und bei Aufrechterhaltung der Indizierung das gesamte Genre „Gangsta-Rap“ verboten werden müsste, dass alles nur Fiktion sei, „S.“ ein lyrisches Ich, dessen Aussagen die Rezipienten, die den „Gangsta-Rap“ verstanden hätten, einzuordnen wüssten, erscheine vor dem Hintergrund der in den Texten des Albums benutzten, für sich genommen eindeutig abwertenden Begriffe und klar gewaltverherrlichenden Aussagen, nicht zwingend. Auch müssten die realen Auswirkungen eines Kunstwerks berücksichtigt werden.Die angegriffenen Entscheidungen stützen sich insoweit auf Erkenntnisse dazu, dass Kinder und Jugendliche den Wortlaut der Texte ernst nehmen, die besungenen Worte adaptieren, Taten nachahmen und dem Albumprotagonisten „S.“ insgesamt als Vorbild nacheifern können. Ein solches Vorgehen sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Az: 1 BvR 201/20. Die Entscheidung ist hier abrufbar unter.