Die Europäische Kommission hat am 16. September 2022 einen Vorschlag für eine Verordnung und eine ergänzende Empfehlung zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt der EU vorgestellt. Mit diesem „Europäischen Rechtsakt zur Medienfreiheit“ (European Media Freedom Act, EMFA) sollen der Medienpluralismus und die Unabhängigkeit der Medien in der EU geschützt werden.

Die vorgeschlagene Verordnung sieht u.a. Schutzmaßnahmen gegen politische Einflussnahme auf redaktionelle Entscheidungen und gegen Überwachung vor. Einer der Schwerpunkte des Regelwerks liegt auf der Unabhängigkeit und stabilen Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien. Zudem sind in der vorgeschlagenen Verordnung Regelungen zur Transparenz der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich, zum Umgang mit Medienkonzentration und zur Verwendung staatlicher Mittel etwa durch Werbung in Medien vorgesehen. Ferner werden Maßnahmen zum Schutz der Unabhängigkeit von Redakteuren, zur Offenlegung von Interessenkonflikten und zum Schutz der Medien vor ungerechtfertigter Entfernung von Online-Inhalten durch Plattformen festgelegt. Schließlich sieht der Vorschlag ein neues unabhängiges Europäisches Gremium für Mediendienste vor (European Board for Media Services), das an die Stelle der bisherigen ERGA treten soll.

Die geplanten Regelungsinhalte berühren Fragen, die nicht nur mit Blick auf die Grundwerte der EU besondere Beachtung verdienen, sondern auch Berührungspunkte zu einer Vielzahl von kritisch diskutierten Entwicklungen in Mitgliedstaaten der EU betreffen.

In unserem Webinar „European Media Freedom Act – Das Medienrecht der EU vor weiterer Harmonisierung?“ am 17. Oktober 2022 haben unser wissenschaftlicher Direktor Prof. Dr. Mark D. Cole und unser geschäftsführendes Vorstandsmitglied Dr. Jörg Ukrow, LL.M.Eur., moderiert von unserem Direktor Prof. Dr. Stephan Ory, einen ersten Überblick über die geplanten Regelungen, deren Einordnung in das Gefüge jüngster Aktivitäten der EU zur Herstellung eines digitalen Binnenmarkts und eine vorläufige Bestandsaufnahme zu Chancen und Risiken des Kommissionsvorschlags vorgenommen.

Im Webinar wurden verschiedene Punkte aus dem Teilnehmerkreis in Frageform angebracht, die nur noch zum Teil beantwortet werden konnten. Wir haben daher im Nachgang zum Webinar die Folien noch an manchen Stellen aktualisiert, um die Fragen in allgemeiner Art zu beantworten.

Konkret wurde etwa der Adressatenkreis mancher der geplanten EMFA-Bestimmungen angesprochen. Insoweit sind zwar, wie Ukrow im Webinar aufzeigte, individuelle natürliche Personen als Betreiber von Mediendiensten (z.B. eines Audio-Podcasts) auch erfasst von den Rechten und Pflichten, soweit diese für Mediendienstenanbieter gelten sollen. Hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten hingegen sind, soweit sie als festangestellte oder freie Beschäftigte tätig sind, selbst nicht die Verpflichteten, würden aber als Mitarbeitende von Medienunternehmen etwa von den (auf die redaktionelle Arbeit bezogenenen) Regelungen in Art. 4 zum Schutz vor Quellen-Offenlegung profitieren.

Die besondere Hervorhebung der öffentlich-rechtlichen Medienanbieter geht einher mit der – so von Cole im Webinar bezeichneten – «Erwartungshaltung», dass diese eine bestimmte Rolle ausfüllen. Die gewählte Formulierung sollte nicht zum Ausdruck bringen, dass damit zur rechtlichen Voraussetzung der Einordnung eines Angebots als öffentlich-rechtliches Medium würde, dass es einen entsprechenden Auftrag durch die Mitgliedstaaten an die betroffenen Anbieter gibt, auch wenn das sog. «Amsterdamer Protokoll» (bzw. Protokoll Nr. 29) die Kompetenz der Mitgliedstaaten hervorhebt, den public service-Auftrag im Einzelnen festzulegen. Der EMFA kann im Übrigen als Sekundärrecht der EU ohnedies nicht das Amsterdamer Protokoll als Primärrecht abändern.

Soweit es um die Kompetenz der Mitgliedstaaten geht ist auch die in Folie 14 angesprochene Frage, ob die Formulierung «detailliertere» Regelungen auch strengere und nicht nur ausführlichere umfasst, relevant. Der gewählte Wortlaut weicht von vergleichbaren Vorschriften (etwa in der AVMD-Richtlinie ab), worin allein aber noch nicht zwingend eine Einschränkung zu den den Mitgliedstaaten verbleibenden Gestaltungsmöglichkeiten gesehen werden muss. Auch hier sind im weiteren Rechtsetzungsprozess Klarstellungen sowohjl im Text als auch in den Erwägungsgründen des EMFA vorstellbar.

Schließlich wurde auch zum Art. 17 wertend nachgefragt: wie im Vortrag erwähnt (vgl. auch Folie 29) bietet die Vorschrift den Rahmen für eine «privilegierte» Behandlung von Medienangeboten auf VLOPs, die in Zusammenschau mit Art. 18 sogar noch weiterreichend sein kann. Die Ausgestaltung der letzteren Vorschrift ist jedoch, wie sich schon aus der Bezeichnung ergibt, mit einem «strukturierten Dialog» weniger im Sinne einer strengen Regulierung mit konkreten Rechtsfolgen zu sehen.

 

 Die Präsentationsfolien finden Sie hier.

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