„Europas digitaler Binnenmarkt und die Grundwerte der EU“ war das Leitthema einer Fachveranstaltung in Wien, die am 8. April gemeinsam vom Österreichischen Rundfunk (ORF), der KommAustria und der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) zusammen mit dem Institut für Europäisches Medienrecht (EMR) veranstaltet wurde. Im Fokus standen die Herausforderungen, die sich bei der Umsetzung der jüngst erneuerten Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) der EU sowie im Umgang mit dem Phänomen der Desinformation stellen.
 
Einleitend gab Prof. Dr. Mark D. Cole, wissenschaftlicher Direktor des EMR, einen Überblick über die neue AVMD-Richtlinie (EU) 2018/1808 und ordnete diese auch hinsichtlich der Entwicklung der 30 Jahre seit Schaffung der ursprünglichen Richtlinie ein (Präsentation hier abrufbar). Schwerpunkte sind Neuerungen durch die Ausweitung auf so genannte Video-Sharing-Plattformen, Vorschriften über Hassrede und Jugendschutz, zur Förderung europäischer Werke und die Veränderungen der Bestimmungen über Werbung. In der anschließenden Diskussion mit Vertretern von Medienunternehmen, Regulierungsstellen und dem Bundeskanzleramt wurde über die regulatorischen Herausforderungen bei der Umsetzung in Österreich, aber auch für die weitere Arbeit auf EU-Ebene diskutiert. Dabei spielte auch die internationale Zusammenarbeit der Regulierungsstellen und der Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle.
 
Der Generaldirektor des ORF, Dr. Alexander Wrabetz, unterstrich in seinem Impulsvortrag die disruptiven Veränderungen durch die Plattformökonomie und den regulatorischen Nachholbedarf. „Juristische Maßnahmen allein werden allerdings zu wenig sein. Es braucht auch eine Stärkung der Qualitätsmedien, die demokratischen Werten und journalistischen Standards verpflichtet sind, durch die Medienpolitik. Öffentlich-rechtliche Medien wie der ORF erfüllen hier eine wichtige Funktion und brauchen auch den rechtlichen Spielraum, um sich zu Content-Plattformen weiterentwickeln zu können“, so der ORF-Generaldirektor. Die bisherigen Aktivitäten der Europäischen Kommission in diesem Bereich, die vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament in den vergangenen Monaten intensiviert wurden, stellte Dr. Matthias Traimer (Leiter Abteilung Medienrecht, Informationsgesellschaft im Bundeskanzleramt) vor. Der Deutsche Welle-Journalist Jochen Spangenberger illustrierte anhand von Beispielen wie vielfältig die Erscheinungsformen falscher Informationen im Internet sind, aber auch welche technischen Hilfsmittel zur Erkennung etwa manipulierter Bilder und Videos es bereits gibt.

Im zweiten Panel wurde wiederum aus Sicht von Journalisten, Medienunternehmen, Regulierern und der Wissenschaft darüber diskutiert, wie wichtig die erfolgreiche Reaktion auf intransparente Einflussnahme in Wahlkämpfen und der Identifizierung falscher Informationen für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Dabei bestand Einigkeit, dass die Durchsetzung bestehender Standards auch gegenüber neuen Formen von Inhalteanbietern und -verbreitern entscheidend ist und gegebenenfalls auch zu einer Anpassung des rechtlichen Rahmens führen muss.
 
„Gerade bei derart komplexen Themen wie der Beeinflussung durch Desinformation und der in vielen Fällen schwer zu treffenden Abgrenzung zum Recht auf freie Meinungsäußerung haben derartige Tagungen eine besondere Bedeutung“, sagte Oliver Stribl, Geschäftsführer der RTR für den Fachbereich Medien. „Ein grenzüberschreitendes Zusammentreffen von Rechtswissenschaftlern, Aufsichtsbehörden, Regierungsstellen und Medienvertretern ist ein sinnvoller Weg, um regulatorische Lösungen im europäischen Kontext zu finden“, so Stribl. Ergänzend unterstrich Cole in seinem Schlusswort, dass die Veranstaltung gezeigt habe, dass „die Probleme vielfältig sind und nach vielfältigen Reaktionen verlangen, dass es vor allem aber darum geht, vertrauenswürdigen und auf europäischen Werten basierenden Medienanbietern einen Rahmen zu sichern, in dem diese im Wettbewerb bestehen können“.

Präsentation Prof. Dr. Mark D. Cole

Bilder der Veranstaltung: