In unserem Webinar “Pay or Okay” am 8. Juli 2024 hat Kristin Benedikt, Mitglied im Vorstand des EMR, einen Überblick über Angebote von Online-Diensten gegeben, die Nutzern die Wahl lassen, ein bezahlpflichtiges Abo abzuschließen oder personenbezogene Daten für Werbezwecke bereitzustellen.
Eingangs stellte Kristin Benedikt klar, dass bei “Pay or Okay”-Angeboten mindestens zwei Rechtsbereiche zu berücksichtigen sind: Der Schutz des Endgeräts nach dem Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDG) sowie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Daneben können Verbrauchervorschriften über digitale Produkte im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) Auswirkungen auf das Datenschutzrecht haben. Benedikt fasste die Leitfäden der deutschen und europäischen Aufsichtsbehörden zu diesen Themen prägnant zusammen. Konkret vertreten die deutschen Aufsichtsbehörden, dass die Regelungen im BGB nicht geeignet seien, um das Einholen von Einwilligungen zu vermeiden. Insbesondere hätten diese keine Auswirkungen auf die Regelungen zum Schutz des Endgeräts, das außerhalb des Datenschutzrechts liegt. Daher müssten, so die Aufsichtsbehörden, Unternehmen die Einwilligungserfordernis oder Ausnahmen prüfen. “Pay or Okay”-Modelle seien ihrer Auffassung nach grundsätzlich zulässig, wenn alternativ ein gleichwertiges trackingf-reies, bezahlpflichtiges Modell angeboten wird, bei mehreren Verarbeitungszwecken (z.B. Werbung und Reichweitenmessung) eine Einwilligung granular erteilt werden kann und das verlange Entgelt marktüblich ist. Benedikt beobachtet in der Praxis, dass die granulare Ausgestaltung von Einwilligungen noch ein Problem darzustellen scheint.
In einem zweiten Teil arbeitete Benedikt zentrale Gerichtsentscheidungen auf. Erstens ging sie auf das Urteil vom 04.07.2023, C-252/21 des Europäischen Gerichtshof in der Sache Meta/Bundeskartellamt ein. Im Ergebnis würde dieses Urteil nur eine geringe Relevanz für “Pay or Okay”-Modelle entfalten, weil es, zum einen, nur Meta als großes Unternehmen mit einem eigenen Geschäftsmodell betraf. Zum anderen warnte Benedikt davor, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs selbst auszulegen. Sehr große Unternehmen wie Meta unterliegen zusätzlich zum Datenschutzrecht auch weiteren Regeln, etwa dem Digital Markets Act. Dies kann sich auf den zugrundeliegenden Einzelfall der Entscheidung auswirken, sodass Übertragungen auf die eigene Situation kritisch geprüft werden sollen. Im Kontext eines Urteils aus Österreich, Erkenntnis vom 26.04.2024, W211 2281997-1 des Bundesverwaltungsgerichts Österreich, ging Benedikt auf das datenschutzrechtliche Medienprivileg nach Art. 85 DSGVO ein. Dieses fände im Falle eines Webseitenbetreibers, der Reichweitenanalyse einsetze und hierfür auf ein “Pay or Okay”-Modell setzte, keine Anwendung, da die Datenverarbeitung nicht zu journalistischen Zwecken erfolgte. Benedikt warf hierbei die Frage auf, ob Reichweitenanalyse, die möglicherweise keinem Werbezweck dient, nicht aber in einem weiteren Sinne als journalistischer Zweck verstanden werden könne und somit vom Medienprivileg erfasst wäre.
Zuletzt gab Benedikt praktische Handlungstipps. Unternehmen seien gut beraten zu prüfen, ob die Verbrauchervorschriften des BGB für sie anwendbar sind und falls, ja, was Hauptgegenstand des Verbrauchervertrags ist. Die Erbringung von Werbeleistungen sei zu vermeiden, weil dies grundsätzlich nicht den Hauptnutzungszweck aus Sicht von Nutzern darstelle. Darüber hinaus regt Benedikt an, die Anforderungen des TDDSG und der DSGVO an eine Einwilligung zu prüfen und sich klarzumachen, welche Trackingdienste für welchen Zweck vor und nach einer “Pay or Okay”-Abfrage zum Einsatz kommen. Zuletzt wies sie darauf hin, dass das Medienprivileg, wenn überhaupt, nur bei datenschutzrechtlichen Pflichten, nicht aber für § 25 TDDDG Anwendung fände.
In der anschließenden Fragerunde, moderiert von Prof. Dr. Stephan Ory, Direktor des EMR, wurden Einblicke und Erfahrungen aus Österreich geteilt. Dabei wurde in Erinnerung gerufen, dass gerade bei Unternehmen, die anders als Meta keine marktbeherrschende Stellung aufweisen, Nutzenden neben der Option zu zahlen oder einzuwilligen auch immer die Option bleibt, das Angebot eines anderen Anbieters zu nutzen.
Das EMR bedankt sich herzlich bei Kristin Benedikt und der Zuhörerschaft und freut sich auf eine weitere Begleitung des Themas “Pay or Okay” in zukünftigen Veranstaltungen.