Der Kanadische Supreme Court hat am 28. Juni 2017 (Google Inc. v. Equustek Solutions Inc., 2017 SCC 34, Case number 36602) auf Basis eines langjährigen Marken- und Urheberrechtsstreits der Firma Equustek Solutions Inc. ein Urteil gefällt, das mehr wegen Aspekten außerhalb des konkreten Rechtsgebiets interessant ist. Nach der Kernaussage der Entscheidung soll nämlich Google nach einer entsprechenden Gerichtsentscheidung verpflichtet sein, nicht nur die Suchergebnisse im Inland (in diesem Fall www.google.ca) zu entfernen, sondern weltweit.
Der Fall von Equustek Solutions Inc.
Ausgangspunkt der Entscheidung war der Rechtsstreit des Computer-Software Unternehmens Equustek Solutions Inc., das gegen die Vermarktung der unternehmenseigenen Produkte durch einen Konkurrenten unter falschen Angaben erfolgreich gerichtlich vorging. In diesem Zuge sperrte Google Inc. in seiner Suchmaschine eine Reihe von Internetseiten, die mit der Firma des Nachahmers in Verbindung zu bringen waren – dies jedoch zunächst nur für die kanadische Version der Suchmaschine. Equustek Solutions Inc. forderte daraufhin – erneut auf dem Rechtswege – die Sperrung der Konkurrenzseiten auch auf internationaler Ebene von Google ein, mit der Argumentation, dass die rechteverletzenden Seiten auch für kanadische Nutzer immer noch leicht erreichbar seien. Die unterinstanzlichen kanadischen Gerichte gaben der Klage statt und wurden schließlich vom Supreme Court bestätigt.
Supreme Court: Nur eine internationale Wirkung gewährleistet die Effektivität von Gerichtsentscheidungen
Das oberste Gericht Kanadas schloss sich der Argumentation von Equustek Solutions Inc. an: Könnten Internetuser die rechteverletzenden Seiten des verurteilten Konkurrenzunternehmens weiterhin über Google-Suchmaschinen außerhalb von google.ca erreichen, insbesondere dort Produkte bestellen, so sei auch die Rechtsverletzung noch nicht beendet. Effektiv könne den berechtigten Interessen der Klägerin nur dann Rechnung getragen werden, wenn auch diese Abrufmöglichkeit gesperrt wird. So heißt es in dem Urteil wörtlich:
“When a court has in personam jurisdiction, and where it is necessary to ensure the injunction’s effectiveness, it can grant an injunction enjoining that person’s conduct anywhere in the world”
Interessant ist auch der Verweis des Gerichts auf die Vergleichbarkeit mit der Mareva injunction, einem Mittel des einstweiligen englischen Rechts- und Vollstreckungsschutzes, mit dessen Hilfe der Kläger das Vermögen des Beklagten vollständig und vor allem weltweit einfrieren lassen kann. Die hieraus resultierenden Probleme bezüglich der Zuständigkeit und der Vollstreckung solcher Titel auf nationaler Ebene werden von den kanadischen Richtern jedoch nicht behandelt.
Die Folgen einer internationalen Sperrverfügung für Google werden jedoch in Betracht gezogen. Allerdings bewertet das Gericht diese als unerheblich. Ein Schaden, der über bloße Unannehmlichkeiten hinausgehe, sei für Google nicht zu befürchten. Schließlich sei es nicht notwendig, dass auf der ganzen Welt entsprechende Maßnahmen getroffen würden, sondern lediglich an Stelle der Programmierung der Suchmaschine, was nach Angaben der Verantwortlichen bei Google mit relativer Leichtigkeit zu bewerkstelligen sei.
Befürchtungen von Gefahren für die Meinungsfreiheit werden laut
Die Reichweite der Entscheidung ist bislang nicht absehbar. Allerdings wird befürchtet, dass sie von Unternehmen und Politik zum Anlass genommen werden könnte, die Meinungsfreiheit im Internet zu zensieren. So titelte etwa die Washington Post bei ihrer Berichterstattung über das kanadische Urteil “How a Supreme Court case in Canada could force Google to censor speech worldwide“. Schließlich sind die nationalen Rechtsordnungen sehr verschieden ausgestaltet und statuieren ein unterschiedliches Schutzniveau für Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit. So könnte etwa eine Unterlassungsverfügung nach türkischem Recht nicht zu beanstanden sein, während ihr Vollzug in Deutschland in die grundrechtlich garantierte Meinungsfreiheit eingreifen würde.
Das kanadische Gericht hatte sich mit diesen allgemeinen Problem allerdings nicht beschäftigt, da es im konkreten Fall keinen Anlass dazu sah: Der Schutz des geistigen Eigentums, der im Fall Equustek Solutions Inc. in Rede stand, werde schließlich auch international von den Rechtsordnungen anerkannt. Eine verallgemeinerungsfähige Aussage über die möglichen Auswirkungen länderübergreifender Sperrverfügungen auf die Redefreiheit will das Urteil aber ersichtlich nicht treffen: “And while it is always important to pay respectful attention to freedom of expression concerns, particularly when dealing with the core values of another country, I do not see freedom of expression issues being engaged in any way that tips the balance of convenience towards Google in this case.”