Nach den Veranstaltungen zum Überblick über die aktuelle Urheberrechtsreform in Deutschland sowie den beiden Online-Seminaren zur Verantwortlichkeit der Diensteanbieter und zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage, die mehr ins Detail einzelner Regelungen geblickt hatten, bildete heute das vierte und (vorerst) letzte Online-Seminar zur Novelle des Urhebervertragsrecht den gelungen Abschluss der Veranstaltungsreihe des EMR.
Die DSM-Richtlinie sieht nun erstmals eine (Mindest-)Harmonisierung von Bestimmungen im Bereich des Urhebervertragsrechts vor, die von den EU-Mitgliedstaaten umzusetzen sind. Dem deutschen Recht sind große Teile dieser Bestimmungen nicht fremd – vielmehr hat das deutsche UrhG als Vorbild für die EU-Regeln gedient. Es ist inzwischen knapp 20 Jahre her, dass in Deutschland das Urhebervertragsrecht gestaltet wurde, die letzte Novelle stammt aus dem Jahr 2017. Die DSM-Richtlinie ist allerdings keine 1:1-Kopie der deutschen Regelungen, sodass auch Bundesgesetzgeber zur Umsetzung in bestimmten Bereichen zur Anpassung aufgerufen oder – teilweise auch – eingeladen ist. Auf der Agenda stehen insbesondere Transparenzpflichten, Auskunftsanspruch, Pauschal- und angemessene (Nach-)Vergütung sowie das Verbandsklagerecht. Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes sieht hierzu neue Regeln vor. Ein Entwurf vom 23. November 2020, der bisher noch nicht veröffentlicht wurde, sieht dazu nochmals Änderungen vor.
Einen einführenden Überblick gab dabei zunächst der Gastgeber der Online-Seminarreihe zur Novelle des Urheberrechts persönlich: Prof. Dr. Stephan Ory, Direktor des Instituts für Europäisches Medienrecht, stellte in seiner Präsentation zunächst die wesentlichen Elemente im existierenden Urhebervertragsrecht dar, die sich aus §§ 31 ff. UrhG ergeben. Die DSM-Richtlinie, die in diesen Bereichen durch Art. 18 (Grundsatz der angemessenen Vergütung), Art. 19 (Grundsatz und Ausnahmen von der Transparenzpflicht), Art. 20 (Vertragsanpassungsmechanismus), Art. 21 (alternative Streitbeilegungsverfahren) und Art. 22 (Widerrufsrecht auf EU-Ebene) ebenfalls Bestimmungen vorsieht, hat im Referentenentwurf zu Anpassungen geführt. Hierauf ging Ory in seinem Vortrag ein sowie auf die Unterschiede zum neusten Referentenentwurf vom 23. November. Als Kernpunkte der künftigen Debatte um die Reform im Urhebevertragsrecht nannte er insbesondere die Regelungen zu Pauschalvergütungen, zur Verhältnismäßigkeit der Auskünfte, Verbandsklage zu Auskünften und zum Teil-Rückruf.
Die Sichtweise der Kreativen schilderte Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer, Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht an der Universität zu Köln. Er betonte zu Beginn insbesondere die grundsätzliche Schutzrichtung, auf die das Urheberrecht seit seiner Schaffung ausgerichtet sei: die Urheber, die Kreativen, stünden im Mittelpunkt der bestehenden und neuen Regeln sowohl auf Ebene des EU-Rechts als auch des nationalen Rechts. Das gelte auch für das Urhebervertragsrecht. Als problematisch könne sich hier erweisen, dass das EU-Recht in diesem Bereich nunmehr lediglich einen Ansatz der Mindestharmonisierung verfolge, der auf nationaler Ebene (in Deutschland) bereits durch eine Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen konkretisiert sei, nunmehr aber von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs abhängig sein könnte. Es bleibe abzuwarten, ob bzw. inwieweit der EuGH seine Konkretisierungsbefugnisse in diesem Bereich wahrnehmen oder mögliche Vorlageentscheidungen in diesem Zusammenhang an die nationalen Gerichte zurückverweisen werde. Dabei verwies Peifer insbesondere auf die unbestimmten Rechtsbegriffe im Kontext der Verhältnismäßigkeit von Vergütungsregeln und zur Nachrangigkeit. Auch hob er aus Sicht der Kreativen die Bedeutung der (neuen) Differenzierung zwischen dem Beteiligungsgrundsatz als Prinzip und der Pauschalvergütung als rechtfertigungsbedürftige Ausnahme hervor – dies könne sich – je nach Fallgestaltung – für Kreative als günstig oder ungünstig erweisen. Angesichts der Verwertungsmöglichkeiten im Internet, in dessen Rahmen die Werknutzung über sehr viele verschiedene Kanäle gestreut werde, sei aber die Beteiligung auch an mittelbaren Verträgen zukunftsorientiert. Positiv aus Sicht der Kreativen unterstrich Peifer auch die Ansätze bei der Etablierung von Verbandsklagemöglichkeit (vor dem Hintergrund von Befürchtungen zum sog. Blacklisting von Urhebern) sowie die Bestimmungen zur Abkehr von einem Auskunftsrecht hin zu einer Auskunftspflicht der Verwerter.
Gerade letztere beiden Aspekte beurteile Dr. Carrie Krogmann, Justitariat des ZDF, aus Sicht der audiovisuellen Medien, insbesondere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Verwerter, anders. Nach ihrer Ansicht müsse die Umsetzung der Regelungen der DSM-Richtlinie wesentlich besser ausbalanciert werden, um den Interessen von Urhebern und Verwertern gerecht zu werden. Die derzeitigen Regeln im Referentenentwurf würden in unangemessener Weise zu sehr zu Lasten der Verwerter gehen und dabei keinen wesentlichen Mehrwert zugunsten der Kreativen bringen. Im Detail verwies Krogmann dabei insbesondere auf die Transparenz- und Auskunftspflichten, die in §§31 ff. UrhG-E geschaffen werden sollen. Die proaktive Auskunftspflicht, die bislang nur als reaktiver Auskunftsanspruch ausgestaltet war, berge einen erheblichen organisatorischen und damit auch finanziellen Aufwand für die Verwerter. Entsprechende Datenbanken, um dieser Pflicht nachzukommen, seien wegen mangelnder Notwendigkeit in diesem Bereich bislang nicht vorhanden und müssten erst geschaffen werden. Hiermit verbundene erhebliche Organisations- und Personalkosten (insbesondere im Bereich der Vielzahl und Aktualität von Nachrichtenbeiträgen an denen mehrere Urheber beteiligt sind) könnten nicht in Vergütungen für Urheber investiert werden. Auf der gegenüberliegenden Seite stünden dabei keine wesentlichen Vorteile für Urheber, die bereits bislang entsprechende Auskünfte ohne Weiteres beantragen könnten. In diesem Kontext verwies Krogmann auch auf Problematiken im Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen Verbandsklagerecht, das sich am UKlaG orientiere, aber im Wesentlichen die Ausgestaltung als Unterlassungsklage nicht trage und vielmehr mit den Problematiken einer versteckten Leistungsklage (Privatautonomie, Bestimmtheit und Vollstreckbarkeit) verbunden sei.
Die Sichtweise der Presse schilderte Helmut Verdenhalven, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V. Auch er betonte die ursprüngliche Schutzrichtung des Urheberrechts in Form des Schutzes von Kreativen. Allerdings könnten dabei nicht diejenigen außer Betracht bleiben, die Kreative mitfinanzieren. Er sah die neuere Tendenz, die sich in der DSM-Richtlinie und im Rahmen der deutschen Urheberrechtsreform zeige, auch stärker die Interessen von Verbrauchern und Gatekeeper-Plattformen im Bereich des Urheberrechts zu schützen, kritisch. Auch Verdenhalven betonte in diesem Zusammenhang insbesondere die neue Auskunftsverpflichtung für Verwerter und die noch ausstehende Beantwortung wesentlicher Punkte in diesem Zusammenhang. Hier gebe es zu viele unbestimmte Faktoren: Was wird am Ende ein nachrangiges Werk sein? Was ist wenn ein vergleichbar kleines werk wie ein Presseartikel, von mehreren verarbeitet wurde (Titel, Bebilderung, Layout, etc.)? Wie und anhand welcher Kriterien wird der Erfolg eines Werkes bemessen? Wie soll eine Zurechnung von Werbeeinnahmen zu einzelnen Artikeln erfolgen? Verwerter würden hier zu einer permanenten Leistungskontrolle verpflichtet. Dabei schlug Verdenhalven abschließend auch den Bogen zu den anderen Bestimmungen der Reform und deren Auswirkungen auf das Urhebervertragsrecht: Die neuen Regeln beispielsweise zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage müssten Einnahmemöglichkeiten für Presseverlage sichern und nicht beschneiden, damit auch die Vergütung für Kreative gesichert werden könne.