Nach dem das erste Online-Seminar zur Novelle des Urheberrechts einen Überblick über die in Deutschland anstehenden Neuerungen gegeben hatte und der zweite Teil der Reihe sich speziell mit der Verantwortlichkeit der Diensteanbieter befasst hatte, fand heute der dritte Teil der Reihe statt. Dabei stand das Leistungsschutzrecht für Presseverlage im Fokus der Diskussion, das unter Beachtung der Vorgaben aus der Richtlinie für das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte im Digitalen Binnenmarkt (DSM-Richtlinie) einer nationalen Umsetzung zugeführt werden muss. Die Gewährleistung, dass Presseverlage eine angemessene Vergütung für die Online-Verwertung ihrer Presseveröffentlichungen durch Dienste der Informationsgesellschaft – insbesondere Suchmaschinen oder Newsaggregatoren – erhalten müssen, ist in Deutschland nicht neu. Vielmehr stand Presseverlegern nach §87f UrhG bereits das ausschließliche Recht zu, ihre Presseerzeugnisse oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. Diese Regelung wurde allerdings vom EuGH (Rs. C-299/17) aus formalen Gründen – Deutschland war seiner Notifizierungspflicht nicht nachgekommen – für nicht anwendbar erklärt. Nun sieht Art. 15 DSM-Richtlinie die Implementierung eines entsprechenden Rechts für alle EU-Mitgliedstaaten vor und, obwohl das deutsche Recht dabei in gewisser Weise als Vorbild auf EU-Ebene gedient hat, damit steht die Schaffung einer neuen Regelung erneut auf der Agenda des nationalen Gesetzgebers. Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes sieht in den §§ 87f ff. UrhG-E entsprechende Neuerungen vor. Diese wurden von den Referenten im heutigen Online-Seminar eingehend aus verschiedenen Gesichtspunkten und Perspektiven heraus beleuchtet.
Einen einführenden Überblick gab dabei Prof. Dr. Malte Stieper, Gundling-Professur für Bürgerliches Recht, Recht des geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er ging dabei auf die Frage ein warum überhaupt ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger eingeführt wurde und schilderte die bisherige Rechtslage in Deutschland vor dem Hintergrund der Einführung des Ausschließlichkeitsrechts für Presseveröffentlichungen im Online-Bereich im Jahr 2013. Dabei ging er auch kurz auf die Problematiken ein, an denen bereits die Regelungen § 87f und § 87g UrhG gekrankt hatten – vor der VG Media-Entscheidung des EuGH: Handwerklich schlecht gemacht in Bezug auf das ‘Verstecken’ des Adressaten in einer Quasi-Schrankenregelung – worauf ausdrücklich auch der Bundesrat in seiner damaligen Stellungnahme hingewiesen hatte – und zweckverfehlt, da keine angemessene Balance von Interessen der Beteiligten gefunden wurde und daher auch nicht zu einem Zahlungsstrom in einer Praxis in Deutschland geführt hatte. Vor diesem Hintergrund ging Stieper auf die im Referentenentwurf vorgeschlagenen neuen Regelungen ein und darauf, was diese im Vergleich zu ihren Vorgängern anders machen. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs sei daher insbesondere in Bezug auf den Adressatenkreis (nicht mehr lediglich Suchmaschinenanbieter, sondern Dienste der Informationsgesellschaft), die erfassten Rechte (nicht mehr nur das ausschließliche Recht auf öffentliche Zugänglichmachung) und die Schutzfrist (von einem auf zwei Jahre) zu beobachten. Kritisch zeigte sich Stieper vor allem in Bezug auf (weiterhin) unscharfe Definitionen der “Presseveröffentlichung” und der “Presseverlage” (Presseagenturen? Blogger?), der mangelnden Konkretisierung des Umfangs des Verbotsrechts durch lediglich Übernahme der Bestimmungen von Art. 15 DSM-Richtlinie (anders noch im Entwurf vom 15.1.2020) und der Ausgestaltung des Beteiligungsanspruch der Urheber nach §87k UrhG-E, der zu Problemen bei der praktischen Durchsetzung des Anspruchs führen könne.
Ebenfalls kritisch bewertet Dr. Georg Nolte, Senior Legal Counsel (Litigation, Copyright), Google, das Leistungsschutzrecht aus Sich der adressierten Anbieter. Strukturell sei Art. 15 DSM-Richtlinie mit der deutschen Vorläuferregelung nahezu identisch und leide daher an den gleichen Mängeln. Kurze Auszüge aus Presseveröffentlichungen seien weiterhin nicht vom Leistungsschutzrecht nicht erfasst, was nicht nur zu Auslegungsproblemen in der Praxis führe, sondern auch den Effekt der Regelung aus Perspektive der Presseverlage schmälere oder gar verfehle. Aus Sicht von Nolte seien die Verlage bereits ausreichend über andere Rechte aus dem Urheberrecht, dem Recht der Datenbanken sowie dem Wettbewerbsrecht geschützt. Statt eines Leistungsschutzrechts sollte es vielmehr um Kooperation zwischen den Diensten der Informationsgesellschaft und den Verlagen gehen und um eine gewinnbringende Partnerschaft, da beide Seiten gegenseitig voneinander profitieren. Als Beispiel hierfür nannte er das Projekt Google News Showcase, das allen Verlagen offenstehe und eine steuerbare Lizensierung von Inhalten ermögliche. Mindestens müsse der nationale Gesetzgeber nun seine Gestaltungsspielräume zur Konkretisierung nutzen, um Kollateralschäden – wie den kompletten Verzicht der Bereitstellung von Presseveröffentlichungen auf den betreffenden Plattformen entweder seitens der Dienste oder seitens der Verlage – zu vermeiden. Insbesondere bedürfe die Reichweite der Verbotsnorm einer – qualitativen oder quantitativen – Konkretisierung.
Anders die Position der Presseverlage, die im Rahmen des Online-Seminars von Valdo Lehari jun., Verleger, Reutlinger General-Anzeiger, dargestellt wurde. Aus seiner Sicht müsse insbesondere der Gefahr begegnet werden, das Recht und Technologie weiter auseinanderdriften. Entscheidender erster Schritt sei dabei, dass die Dienste der Informationsgesellschaft das Leistungsschutzrecht der Verlage anerkennen. Bisherige Initiativen auf Partnerschaftsbasis würden vor allem kleine oder mittlere Verlage gar nicht ansprechen. Partnerschaft müsse entwickelt werden, aber auf Augenhöhe. Lehari begrüßte die Umsetzung im deutschen Entwurf, obwohl Nachbarn wie Frankreich, Holland und Polen dabei schon weiter seien. Nachbesserungsbedarf sah aber auch er in Bezug auf die Konkretisierung der Reichweite der Verbotsnorm und insbesondere die Umsetzung der Erwägungen in Erwägungsgrund 58 der DSM-Richtlinie, der der Tatsache Rechnung trage, dass die Dienste der Informationsgesellschaft auch aus der Veröffentlichung von kurzen Ausschnitten eine Wertschöpfung generieren.
Die Position der Journalisten, um deren Werke es letztlich bei der Diskussion geht, schilderte Stefan Endter, Geschäftsführer Deutscher Journalisten-Verband. Er betonte, dass es ohne das Kreativschaffen der Journalisten keinen Anknüpfungspunkt für das Leistungsschutzrecht gebe und sich dies auch in der Regulierung widerspiegeln müssen. Die Akzeptanz seitens der Verlage, angemessene Vergütungsregeln abzuschließen, sei bisher noch nicht weit genug ausgeprägt. Zentraler Punkt müsse es sein, dass das Leistungsschutzrecht nicht zu Lasten der Urheber gehe und eine angemessene Beteiligung vorsehen müsse. Der hierzu vorgeschlagene § 87k UrhG-E sehe zwar einen konkretisierten Beteiligungsanspruch vor, der allerdings zum einen auf Durchsetzungsprobleme in der Praxis stoßen werde und zum anderen in der Höhe auch nicht angemessen sei, insbesondere da die GEsetzesbegründung darauf hindeute, dass der Anspruch sich unter mehreren Urhebern und Inhabern verwandter Schutzrechte aufteilen könne. Endter plädierte dafür, den Anspruch durch einen Auskunftsanspruch zu ergänzen.