Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 09. April 2018 (1 BvR 840/15) entschieden, dass ein Anspruch auf eine Gegendarstellung auch dann besteht, wenn im Vorfeld der gerügten Berichterstattung keine Stellungnahme abgegeben wurde, obwohl die Möglichkeit zu einer solchen von Seiten des berichtenden Mediums bestand. Im Unterlassen der Stellungnahme sahen die Richter der 3. Kammer des Ersten Senats keine Obliegenheitsverletzung, die einen späteren Anspruch ausscheiden lassen würde.
Im konkreten Fall wurde die Beschwerde vom Verlag eines großen Nachrichtenmagazins erhoben. Dieses veröffentlichte im Frühjahr 2013 einen Bericht über Schleichwerbungsvorwürfe, die gegen einen bekannten Fernsehmoderator erhoben wurden. Vor der Veröffentlichung wurde dieser Moderator um die Abgabe einer Stellungnahme über die Vorwürfe gebeten. Zwar bestritt er in einem Telefonat mit dem zuständigen Redakteur die Vorwürfe, gab aber auch gleichzeitig zu verstehen, dass das Telefonat nicht für die geplante Berichterstattung verwendet werden dürfe. Nach der Veröffentlichung des Artikels forderte der betroffene Moderator das Nachrichtenmagazin zum Abdruck einer Gegendarstellung auf, was dieses ablehnte, woraufhin der Moderator den Rechtsweg bestritt. Im Rahmen dessen wurde das Magazin vom Landgericht im Rahmen einer einstweiligen Verfügung zum Abdruck einer Gegendarstellung verurteilt, sowohl der Widerspruch als auch die Berufung des Verlages vor dem Oberlandesgericht blieben ohne Erfolg. Gegen diese Entscheidung hat der Verlag nun Verfassungsbeschwerde erhoben, er sieht sich in seiner Meinungs- und Pressefreiheit verletzt und vertritt die Ansicht, dass der Moderator durch die unterlassene Stellungnahme einen Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung verwirkt habe.
Die Verfassungsbeschwerde hatte jedoch keinen Erfolg. So sahen die Richter unter anderem keine Obliegenheit zur Stellungnahme bei der Berichterstattung. Eine solche würde zu einer Verpflichtung erwachsen, auch an einer gegen den eigenen Willen geplanten Berichterstattung mitzuwirken, nur um einen möglichen Anspruch auf eine Gegendarstellung behalten zu können. Darüber hinaus könnten sich Medienunternehmen Gegendarstellungen gezielt entziehen, wenn dem Betroffenen vorab die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden würde. Dies sei mit dem Persönlichkeitsrechtsschutz jedoch nicht vereinbar. Damit ginge auch eine Entwertung des Gegendarstellungsanspruchs einher.
Eine darüber hinausgehende Entscheidung im Einzelfall sei weiter nicht zu treffen. Da sowohl der Rundfunkstaatsvertrag als auch die Medien- und Pressegesetze der Länder bei Gegendarstellungsansprüchen eine Abwägung zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen vorsehen. Regelmäßig können über das „berechtigte Interesse“ Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt werden. Dementsprechend werde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – wie auch in diesem Fall – regelmäßig gewahrt.
Der Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 09. April 2018 (1 BvR 840/15) ist im Volltext abrufbar unter: