Zur Begründung führt das BVerfG in seinem Beschluss vom 22. Dezember 2020 aus, dass die beschwerdeführenden ARD-Anstalten nicht in der den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise dargelegt hätten, dass ihnen durch ein Abwarten bis zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens schwere Nachteile im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG entstehen. Auf eine Folgenabwägung zwischen den Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, aber die Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, die Hauptsache aber keinen Erfolg hätte, kam es daher nicht an.

Die ARD-Anstalten legten aus Sicht des BVerfG nicht näher dar, dass eine verfassungswidrige Verzögerung des Inkrafttretens der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags irreversibel zu schweren Nachteilen führte.

Die Irrevisibilität der Folgen eines verspäteten Inkrafttretens des geänderten Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags gehe nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Judikatur des BVerfG hervor. Denn wenn das beauftragte Programmangebot tatsächlich erbracht werde, sei nach dieser Judikatur eine kompensierende Mehrausstattung in späteren Zeiträumen durchaus nicht ausgeschlossen. „Sofern die Beschwerdeführer also geltend machen wollen, eine verfassungswidrige Verzögerung des Inkrafttretens der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags löse eine Verschlechterung des Programmangebots aus und verletzte irreparabel ihre Rundfunkfreiheit, hätten sie substantiiert darlegen müssen, bei Nichtinkrafttreten ab dem 1. Januar 2021 mangels Beitragserhöhung zu dem von der KEF geprüften Programmangebot nicht in der Lage zu sein, obwohl im Fall des Obsiegens im Verfassungsbeschwerdeverfahren eine kompensierende Mehrausstattung in späteren Zeiträumen in Betracht kommt.“ Es ist aus Sicht des BVerfG nicht ohne Weiteres plausibel, dass die ARD-Anstalten nicht auf begrenzte Zeit in der Lage wären, ihr Programmangebot gewissermaßen in eigener „Vorleistung“ zu realisieren. Insofern hätte es genauerer Angaben bedurft. „Der Hinweis der Beschwerdeführer auf eine Deckungslücke bis Ende des Jahres 2024 oder aber jedenfalls bis Ende des Jahres 2022 reicht schon deshalb nicht aus, weil nicht nachvollzogen werden kann, warum im Falle eines Abwartens der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden der Finanzbedarf bis Ende des Jahres 2022 oder sogar bis Ende des Jahres 2024 ungedeckt bleiben sollte.“

Im Übrigen wäre den Anstalten nach einer Senatsentscheidung (vgl. BVerfGE 119, 181 <241 f.>) jedenfalls ein Ausgleich zu gewähren, falls ihnen auf der Grundlage einer verfassungswidrigen Festsetzung des Beitrags Mittel – etwa für nötige Investitionen – entgangen sein sollten, deren Bezug nach ihren früheren Bedarfsanmeldungen und den Feststellungen der KEF erforderlich war, um die Erfüllung des Rundfunkauftrags sicherzustellen. Auch insofern hätten die Beschwerdeführer darlegen müssen, warum ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung gleichwohl irreversible Nachteile eintreten sollten. Hierzu haben die Beschwerdeführer aus Sicht des BVerfG „ebenfalls nicht substantiiert vor(getragen)“. In gleicher Weise fehlt es aus Sicht des BVerfG auch hinsichtlich der Verfallsklausel in Art. 2 Abs. 2 des 1. Medienänderungsstaatsvertrages, deren einstweilige Außerkraftsetzung sie beantragen, an einem substantiierten Vortrag hinsichtlich der in § 32 BVerfGG vorausgesetzten Dringlichkeit. Zwar unterstreicht das BVerfG in seinem Beschluss vom 22. Dezember 2020, dass die Verfassungsbeschwerden der ARD-Anstalten weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet sind. „Angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erscheint eine Verletzung der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit zumindest möglich.“ Dass die Entscheidung des BVerfG von populistischen und extremistischen Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aber als Bestätigung des Vorgehens des Landes Sachsen-Anhalt bzw. darüber hinausgehend als höchstrichterliche Bestätigung der Unangemessenheit einer Beitragserhöhung fehlinterpretiert werden dürfte, erscheint naheliegend. Einer solchen Desinformationskampagne hätte durch eine nicht nur rundfunkverfassungsrechtlich, sondern auch verfassungsprozessrechtlich überzeugendere ARD-seitige Aufbereitung von Sach- und Rechtslage vorgebeugt werden können.

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