Mit nun bekannt gewordenem Urteil vom 16. Januar 2018 (Az 16 O 341/15) hat das Landgericht Berlin sowohl die konkrete Ausgestaltung der Privatsphäre-Voreinstellungen für Facebook-User als auch einige allgemeine Nutzungsbedingungen des sozialen Netzwerks teilweise für unzulässig erklärt. Auch wenn es sich um eine Einzelfall-Entscheidung handelt, behandelt diese doch Fragen von allgemeinem datenschutzrechtlichem Interesse, die – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Inkrafttretens der EU-Datenschutzgrundverordnung im Mai diesen Jahres – mehr und mehr in den Fokus rücken.

Vorab: Einblicke in den rechtlichen Hintergrund

Das Urteil betrifft drei grundsätzliche Prinzipien des Datenschutzrechts, deren jeweilige Reichweite bislang unter dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) noch nicht abschließend geklärt ist: Das Transparenz- bzw. Informationsgebot, das Freiwilligkeitserfordernis bei der Einwilligung und das Koppelungsverbot.

Strittig ist nicht zuletzt die Zulässigkeit der sog. Opt-Out-Lösung. Dieser Begriff umschreibt ein Modell der Einwilligungserteilung, bei dem der Nutzer durch entsprechende Voreinstellungen (bspw. ein entsprechender Haken ist im Einwilligungsfeld bereits gesetzt) seine Einwilligung in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten passiv erteilt, d.h. er müsste eine entsprechende Handlung vornehmen, um seine Einwilligung zu verweigern. Ob diese Opt-Out-Modelle mit den Bestimmungen des BDSG vereinbar sind, ob also auf diese Weise überhaupt eine rechtswirksame Einwilligung erteilt werden kann, wird seit Jahren in der juristischen Lehre wie in der Praxis kontrovers diskutiert. Das Gesetz enthält hierzu bei Wortlaut-Auslegung keine ausdrücklichen Anforderungen. In § 4a Abs. 1 S. 1 BDSG wird lediglich festgelegt, dass „die Einwilligung … nur wirksam (ist), wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht“. Aus dem Freiwilligkeitserfordernis wird allerdings von der wohl herrschenden datenschutzrechtlichen Meinung teleologisch gleichsam das Erfordernis einer Opt-in-Lösung herausgelesen. So soll die Einwilligung nur dann freiwillig und damit rechtswirksam erteilt werden können, wenn der Betroffene eine aktive und selbstbestimmte Handlung vornimmt (bspw. also einen Haken in einem entsprechend leeren Feld aktiv setzen muss). 

Das Freiwilligkeitserfordernis wird auch dann in Frage gestellt, wenn eine datenschutzrechtliche Einverständniserklärung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Nutzungsbedingungen eines Angebots enthalten ist, die mit dem Akzeptieren jener gleichsam „miterklärt“ werden (muss). Nach dem sog. Koppelungsverbot ist die verbindliche Koppelung einer datenschutzrechtlichen Einwilligungserklärung an eine davon unabhängige Erklärung wie etwa den Abschluss eines Vertrages allerdings grundsätzlich unzulässig. Bei der Datennutzung zu werblichen Zwecken folgt dies aus § 28 Abs. 3b BDSG, in anderen Fällen wird das Koppelungsverbot teilweise aus § 4 a Abs. 1 BDSG abgeleitet. Es ist aber in keinem der genannten Fälle ein absolutes Verbot – so gilt es etwa im Rahmen der Werbeeinwilligung auch nur dann, „wenn dem Betroffenen ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne die Einwilligung nicht oder nicht in zumutbarer Weise möglich ist“.

Schließlich ist eine Entscheidung auch nur dann freiwillig im Sinne des BDSG, wenn sie informiert ist, der Nutzer sich also der Bedeutung und Tragweite seiner Einwilligung und deren Folgen vorher bewusst ist, worauf er dementsprechend in bestimmten Fällen gesondert vom Verwender der AGB oder Nutzungsbedingungen hinzuweisen ist.

Höchstrichterlich entschieden sind diese Fragen, ob und wann also eine aktive Handlung zur Einwilligungserteilung erforderlich ist und wann Ausnahmen vom Koppelungsverbot greifen, allerdings bislang nicht.

Insofern kommt der Entscheidung des LG Berlin, das sich nun mit diesen Problematiken zumindest teilweise in seiner Entscheidung eingehend beschäftigt hat, ggf. nicht unerhebliche Leitbildfunktion zu.

Verfahren und Entscheidung des LG Berlin

Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) gegen das soziale Netzwerk Facebook auf Basis eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs vorwiegend gestützt auf Verstöße gegen das Datenschutzrecht.

Der vzbv ging mit seiner Klage gleich gegen eine Reihe von Formulierungen, Voreinstellungen und Ausgestaltungsoptionen vor, die das beklagte soziale Netzwerk in seinen AGB, Nutzungsbedingungen und Privatsphäre-Einstellungen für die Nutzer – vorwiegend Verbraucher – bereithält, und bekam bei einem Großteil seiner Angriffspunkte recht.

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten rechtlichen Gesichtspunkte sowie einer AGB-Wirksamkeitskontrolle und unter Einbeziehung telemedienrechtlicher Vorschriften zur sog. Impressumpflicht, erklärte das LG Berlin insbesondere folgende Einstellungen und Ausgestaltungen für unwirksam:

  • Die Ausgestaltung, dass das Impressum von Facebook nur über zwei Verlinkungen zu erreichen ist, widerspreche dem Grundsatz der leichten und ständigen Erreichbarkeit der Angaben zum Verantwortlichen (§ 5 Abs. 1 TMG),
  • Voreinstellungen in den Privatsphäre-Einstellungen des Nutzers entsprächen nicht den Erfordernissen an eine freiwillige und hinreichend informierte Einwilligung des Betroffenen (§ 4a BDSG), da er auf diese nicht gesondert hingewiesen werde, insbesondere der von Facebook angebotene „freiwillige Rundgang durch die Privatsphäre-Einstellungen“ hierfür nicht ausreiche,
  • die bei der Registrierung erforderliche Bestätigung, die Datenschutzrichtlinie gelesen zu haben, verstoße gegen das Verbot formularmäßig erteilter Tatsachenbestätigungen (§ 309 Nr. 12 b BGB),
  • die Selbstverpflichtung des Nutzers zur Angabe korrekter persönlicher Informationen („Klarnamenprinzip“) in den Nutzungsbedingungen sei unzulässig, da sie den Anforderungen an eine informierte Entscheidung (§§ 28, 4, 4a BDSG) bereits deshalb nicht entspreche, weil sie nicht als Einwilligung in eine bestimmte Form der Datennutzung formuliert und daher als solche nicht erkennbar sei,
  • die in den Nutzungsbedingungen enthaltene „Einverständniserklärung“ zur Datenweitergabe in die USA sei vor dem Hintergrund des Transparenzgebotes unzulässig, da sie an der gebotenen Stelle insbesondere keine Information darüber enthalte, welche Daten des Nutzers in die USA übermittelt würden und wie dort mit diesen verfahren werde,
  • die in die Nutzungsbedingungen inkludierte „Erlaubnis“, Name und Profilbild für kommerzielle, gesponserte oder verwandte Inhalte einzusetzen, ermögliche dem Nutzer ebenso keine informierte Entscheidung, da nicht klar werde, was unter den genannten Einsatzmöglichkeiten zu verstehen sei,
  • sowohl die Zustimmung zur Sammlung und Verwendung von Inhalten gemäß der von Facebook bereitgestellten Datenrichtlinie in ihrer jeweils aktuellen Fassung als auch die Zustimmung zu zukünftigen Änderungen der Bedingungen durch Weiternutzung, die ebenfalls als Erklärung in den Nutzungsbedingungen enthalten sind, seien schließlich ebenso gemessen an dem Informationsgebot unwirksam (§ 4a BDSG), da sie auch zukünftige Änderungen der Richtlinie erfassten, die der Nutzer zum Zeitpunkt seiner Zustimmung nicht absehen könne, weshalb eine informierte Entscheidung insoweit unmöglich sei.

Hinsichtlich der in den Bedingungen enthaltenen Verpflichtung, Facebook erst ab einem Alter von 13 Jahren zu verwenden, gingen die Richter jedoch nicht von einer Unzulässigkeit aus, insbesondere  nicht von einem Verstoß gegen das Verbot formularmäßig erteilter Tatsachenbestätigungen (§ 309 Nr. 12b BGB). Begründet wurde dies damit, dass durch diese Erklärung allein keinerlei Beweislastumkehr zu Lasten des Nutzers in Zukunft zu befürchten sei, was § 309 Nr. 12b allerdings erfordere. Mithin sei auch keine rechtliche Verpflichtung auf Seiten von Facebook erkennbar, eine solche Zugangsbeschränkung zu gewährleisten.

Hinsichtlich einzelner Regelungen der Datenrichtlinie von Facebook, die vom vbzv ebenfalls als unzulässig angegriffen wurden, wies das Gericht die Klage ebenso als unbegründet ab. Diese sind insgesamt – mit Ausnahme einer Einzelregelung daraus – nach Auffassung des LG Berlin nicht als AGB zu qualifizieren und damit einer Klauselkontrolle nach dem hier angestrengten Verfahren nach § 1 UKlaG entzogen.

Der Slogan „Facebook ist und bleibt kostenlos“ sei schließlich auch keine irreführende Werbung, die einen Unterlassungsanspruch nach dem UWG rechtfertige. Während die Nutzung des sozialen Netzwerks zwar tatsächlich von einer Gegenleistung in Form der Datenübertragung abhänge, verstünde der durchschnittliche Verbraucher – auf den es hier ankomme – den Begriff „kostenlos“ nur als mittelbare oder unmittelbare Zahlungsverpflichtung. Daher werde er auch nicht irregeführt.

Folgen und Bewertung der Entscheidung

Mit dem Urteil wird Facebook nun zumindest gegenüber deutschen Verbrauchern dazu verpflichtet, die streitgegenständlichen Formulierungen aus seinen Nutzungsbedingungen zu entfernen und die Einstellungsmöglichkeiten für Nutzer entsprechend anzupassen. Eine rechtskräftige Entscheidung darüber, ob auch die Datenverarbeitung, die Facebook auf der Grundlage der unwirksamen Einwilligungen der Nutzer vornahm und höchst wahrscheinlich auch weiterhin vornimmt, unzulässig war und ist, ist mit dem Urteil jedoch nicht verbunden. Dies war insbesondere nicht Gegenstand der Unterlassungsklage. Allerdings enthält die Entscheidung einige verallgemeinerungsfähige Feststellungen insbesondere zum datenschutzrechtlichen Informationsgebot, die durchaus beachtenswert sind.

Bedauerlich – wenngleich rechtlich aufgrund mangelnder Erforderlichkeit naheliegend – ist, dass das LG Berlin sich weder zu der grundsätzlichen Erforderlichkeit einer Opt-in-Lösung noch zum Koppelungsverbot bei sozialen Medien äußert. Insbesondere geht das Urteil nicht darauf ein, ob die streitgegenständliche Ausgestaltung seines Geschäftsmodells durch Facebook generell zulässig wäre, wenn das Unternehmen seiner Verpflichtung zu Transparenz und Information im Vorfeld der Einwilligung nachkommen würde. Damit bleibt weiter ungeklärt, ob das Geschäftsmodell der Zahlung mit Daten in diesem Bereich zulässig ist.

Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Sollte das Verfahren in die nächsthöhere Instanz gehen, kann noch auf die Berücksichtigung auch dieser Aspekte zumindest vor dem Hintergrund einiger allgemeiner Aussagen gehofft werden. Ansonsten ist mit Spannung zu erwarten, ob und ggf. wie Facebook die Unterlassungsverpflichtung angesichts seines Geschäftsmodells umsetzen wird.

 

Das Urteil des Landgerichts Berlin ist im Volltext abrufbar unter:

https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2018/02/12/facebook_lg_berlin.pdf

Die Pressemitteilung des vzbv ist abrufbar unter:

https://www.vzbv.de/pressemitteilung/facebook-verstoesst-gegen-deutsches-datenschutzrecht

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