Am 15. März 2017, nachdem er das komplette Verfahren noch einmal aufgerollt hat, hat der Berufungsgerichtshof von Luxemburg (Court of Appeal of Luxembourg) eine Entscheidung im LuxLeaksverfahren getroffen. Antoine Deltour, Raphaël Halet, und Edouard Perrin waren wegen mehrfachen Verletzungen von Strafgesetzen (Criminal Code) angeklagt: Haus- und Wohnungsdiebstahl (Artikel 464), betrügerischer Zugang zu Datenbanken (Artikel 509-1), Verletzung von Handelsgeheimnissen (Artikel 309) und von Berufsgeheimnissen (Artikel 458), und Geldwäsche und Besitz von illegal erhaltenen Gütern (Artikel 506-1). 

Das Verfahren betraf das Zuspielen von vertraulichen Dokumenten von Pricewaterhouse Coopers (PwC), Deltour und Halets früheren Arbeitgeber, diese deckten Steuerabreden zwischen den luxemburgischen Steuerbehörden und großen multinationalen Unternehmen auf. Alle drei Angeklagten beantragten Freispruch auf Basis von Art. 10 der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wegen dem Recht der freien Meinungsäußerung.

Der Gerichtshof sprach eine mildere Strafe aus als der urprünglich mit der Sache betraute Richter. Deltour wurde zu einer Bewährungsstrafe von 6 Monaten, gegenüber von 12 Monaten in der ersten Instanz, verurteilt, zusätzlich wurde die Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro beibehalten. Halets Strafe wurde auf eine Geldstrafe von 1000 Euro, anstatt 9 Monate Bewährungsstrafe in der ersten Instanz, reduziert. Der Freispruch des Journalisten Perrin wurde gewährt, wenn auch aus anderen Gründen. Zusätzlich wurde die Frage, ob ein Euro symbolischer Schadensersatz an PwC gezahlt werden muss, an die Zivilgerichte abgegeben. 

Nach dem Gerichtshof sind die Schutzmaßnahmen für Whistleblowers und verantwortliche Journalisten unter Art. 10 EMRK als Rechtfertigung anzusehen, die, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, trotz der rechtsgültig festgestellten Rechtsverletzung, in einem Freispruch für den Angeklagten münden müssen.

Daher hat der Gerichtshof bezüglich Deltour zunächst die Rechtsverletzungen für Haus- und Wohnungsdiebstahl, betrügerischem Zugang zu der Datenbank von PwC zur Erlangung der Dokumente, Bruch des Berufsgeheimnisses und Geldwäsche sowie Besitz von Beutegut aus einem Diebstahl, festgestellt. Danach wog das Gericht ab, ob er sechs kumulative Voraussetzungen erfüllt, die vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Gujafall aufgestellt wurden und die notwendig sind um von dem Rechtsfertigungsgrund für Whistleblower zu profitieren. Der Gerichtshof kam dabei zu dem Ergebnis, dass Deltour lediglich in dem Zeitpunkt der Übergabe der Dokumente an den Journalisten ein Whistleblower war, was dazu führt, dass nur der Bruch des Berufsgeheimnisses zu rechtfertigen war. Die anderen Anklagepunkte wurden aufrecht erhalten, da zu dem maßgeblichen Zeitpunkt des Diebstahles der Dokumente noch kein Vorsatz für Whistleblowing bei Deltour vorlag und er demnach nicht von den Rechtserleichterungen diesbezüglich Nutzen ziehen konnte.

Der Gerichtshof war bezüglich Halet der Ansicht, dass er nicht von der whistleblower Rechtfertigung profitieren kann, da er die Interessen seines Arbeitgebers unverhältnismäßig stark beeinträchtigt hat im Vergleich zu dem Wert der enthüllten Information für die Gesellschaft. Der Gerichtshof ging dennoch von mildernden Umständen zu seinen Gunsten aus um die Strafe zu mildern. 

Bei Perrin stellte der Gerichtshof die Mittäterschaft bezüglich des Diebstahles, der Geldwäsche und des Besitzes von Beutegut, die durch Halet begangen wurden, fest.  Demgegenüber war der Gerichtshof allerdings der Ansicht, dass Perrin als verantwortlicher Journalist gutgläubig handelte, um der Gesellschaft genaue und glaubwürdige Informationen, im Einklang mit dem Respekt vor seiner journalistischen Pflicht, zu liefern. Daher wurden ihm gegenüber alle Anklagepunkte fallen gelassen. 

In Luxemburg kann dieses Urteil in letzter Instanz vor den Kassationsgerichtshof (Court de Cassation) gebracht werden. Deltour hat bereits angekündigt dies zu tun. 

In französischer Sprache ist das Urteil hier abrufbar.

Ursprünglich erschienen im EMR-Newsletter 06/2017. 

Die Autorin ist Annelies Vandendriessche, Doktorandin an der Rechts- Wirtschafts- und Finanzwissenschaftlichen Fakultät der Universität Luxemburg, unter Aufsicht von  Prof. Dr. Mark D. Cole,
Professor für Medien- und Telekommunikationsrecht an der Universität Luxemburg.