In der Rechtssache C-555/19 Fussl Modestraße Mayr hat sich Generalanwalt Maciej Szpunar des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in seinen Schlussanträgen vom 15.10.2020 zur Frage geäußert, ob das in Deutschland bestehende grundsätzliche Verbot regionaler Fernsehwerbung in einem bundesweit ausgestrahlten Programm mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Er vertritt dabei die Ansicht, dass europäisches Recht einer solchen Einschränkung nicht grundsätzlich entgegen steht, allerdings sei mit Blick auf den freien Dienstleistungsverkehr zu prüfen, ob es keine weniger restriktiven Maßnahmen gibt, die der nationale Gesetzgeber einführen könnte und die es ermöglichen würden, das Ziel des Schutzes der Meinungsvielfalt auf regionaler und lokaler Ebene zu erreichen.

Hintergrund ist ein Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart. Die österreichische Fussl Modestraße Mayr GmbH betreibt eine Kette von Modegeschäften in Österreich und im Freistaat Bayern.

Im Mai 2018 schloss Fussl mit der deutschen SevenOne Media GmbH, welche die Vermarktungsgesellschaft der deutschen ProSiebenSat.1-Gruppe ist, einen Vertrag über die auf den Freistaat Bayern beschränkte Ausstrahlung von Fernsehwerbung im Rahmen des bundesweiten Programms von ProSieben über die bayerischen Kabelnetze der Vodafone Kabel Deutschland GmbH.

SevenOne Media verweigerte die Erfüllung dieses Vertrags mit der Begründung, dass es ihr nach dem Rundfunkstaatsvertrag (§ 7 Abs. 11 RStV) untersagt sei, Fernsehwerbung im Rahmen bundesweit ausgestrahlter Programme regional auszustrahlen. Nach dem Rundfunkstaatsvertrag haben die Bundesländer zwar die Möglichkeit, regionale Werbung auf nationalen Fernsehkanälen zuzulassen, bislang hat jedoch keines der Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Fussl erhob daraufhin Klage beim Landgericht Stuttgart und beantragte, SevenOne Media zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu verurteilen. Das Landgericht legte dem EuGH daraufhin Fragen vor zur Vereinbarkeit des in Rede stehenden Verbots mit Unionsrecht.

Generalanwalt Szpunar wies in seinen Schlussanträgen nun darauf hin, dass das in Rede stehende Verbot den regionalen Werbemarkt den regionalen und lokalen Fernsehveranstaltern vorbehalten und diesen dadurch eine Finanzierungsquelle sichern solle. Die Aufteilung des Werbemarkts zwischen nationalen und regionalen Fernsehveranstaltern und folglich das hier in Rede stehende Verbot fallen seiner Meinung nach nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz stehe einem Verbot regionaler Werbung auf nationalen Fernsehkanälen nicht entgegen. Allerdings stelle das Verbot regionalisierter Werbung auf nationalen Fernsehkanälen eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar, die jedoch durch einen zwingenden Grund des allgemeinen kulturpolitischen Interesses gerechtfertigt sein könne.

Dabei habe der deutsche Gesetzgeber davon ausgehen durfte, dass der Eintritt der nationalen Fernsehsender in den regionalen Werbemarkt die Finanzierung der regionalen und lokalen Fernsehsender hätte gefährden und damit die Meinungsvielfalt auf regionaler Ebene bedrohen können. Die streitige nationale Maßnahme erscheine daher geeignet, das Ziel des Schutzes dieser Vielfalt zu erreichen. Ob die streitige Maßnahme auch verhältnismäßig sei, und insbesondere, ob weniger restriktive Maßnahmen in Betracht kämen, müsse allerdings das vorlegende Gericht entscheiden.

Die Schlussanträge des Generalanwalts vom 15.10.2020 sind abrufbar unter: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=746787EEB8DDA70F93C13CCB32FA82C1?text=&docid=232472&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=801709

 

EMR-Gutachten

Zur Frage des Gestaltungsspielraums der EU-Mitgliedstaaten bei Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit mit dem Ziel der Medienvielfaltssicherung hatte das Institut für Europäisches Medienrecht (EMR) im Kontext des aktuellen Verfahrens ein Gutachten im Juni 2020 veröffentlicht. Nähere Informationen sind hierzu abrufbar unter: https://emr-sb.de/gutachten_regionalwerbeverbot/