Gestern, am 14.12.2017, wurde in der US Telekommunikations-Aufsichtsbehörde (Federal Communications Commission – FCC) mit 3:2 Stimmenmehrheit die Abschaffung der bisherige Regeln zur Netzneutralität in den USA beschlossen.
Netzneutralität
Netzneutralität bedeutet grundsätzlich, dass sämtliche Daten durch Telekommunikationsanbieter gleich behandelt werden müssen. Zudem fällt auch der diskriminierungsfreie Zugang bei der Nutzung von Datennetzen unter diesen Begriff. Wobei es keine einheitliche Definition gibt, weil der Umfang der Netzneutralität nicht unumstritten ist.
Der Gegensatz dazu, also eine gezielte Bevorzugung bestimmter Dienste und auch die Verlangsamung anderer Dienste, könnte nun in den USA eingeführt werden.
Dies kann auf verschiedene Arten geschehen, einerseits kann eine direkte Beeinflussung der Übertragungsgeschwindigkeit durchgeführt werden, andererseits können aber auch im Rahmen eines eingeschränkten Datenpaketes verschiedene Dienste nicht von der eingeschränkten Bandbreite umfasst sein, sodass für diese quasi eine „Flat-Rate“ besteht (sog. „Zero-Rating“). Man muss dabei bedenken, dass im ersten Fall sogar eine komplette Streichung der Bandbreite für verschiedene Seiten denkbar ist, also ein de facto Aussetzung der Verbreitung hervorgerufen werden kann. Internetanbieter könnten damit letztlich auch über eine Form der Zensur entscheiden, indem bestimmte Seiten von der Bandbreite ausgeschlossen oder stark gedrosselt würden.
Die Entscheidung
Die seit der Berufung von Ajit Pai zum FCC-Vorsitzenden bestehende republikanische Mehrheit in der FCC stellt die Klassifizierung von Breitband-Internetzugangsdiensten als Informationsdienste (nicht mehr als Telekommunikationsanbieter) unter Berufung auf die Brand X-Entscheidung des US Supreme Court aus 2005 wieder her. Die bisherige strengere Regulierung unter Titel II des Communication Act aus 1934 habe zu Rechtsunsicherheit und in deren Ergebnis dazu geführt, dass Internet-Service-Provider (ISP) Investitionen in die Netze reduziert hätten und dass Innovationen, nicht zuletzt auch zu Gunsten von Verbrauchern im ländlichen Raum, behindert worden seien. Die Einordnung als Informationsdienst diene demgegenüber dem Ziel des Schließens der digitalen Spaltung.
Zugleich entschied die Mehrheit der FCC, dass die Zuständigkeit für den Breitband-Verbraucherschutz wieder bei der FTC, der US-Handelsbehörde, angesiedelt werden soll, um einen einheitlichen Online-Schutz gegen unfaire, missbräuchliche und wettbewerbswidrige Praktiken zu gewährleisten.
Lediglich eine Transparenzkontrolle soll in der Form stattfinden, dass Verbrauchern, Unternehmern und der FCC Informationen seitens der Internet-Service-Provider darüber gewährt werden, welche Dienste blockiert, gedrosselt oder vorrangig transportiert werden. . Damit soll eine freie Auswahl sichergestellt werden und weniger Micromanaging durch die Regierung notwendig sein. Zudem wird angeführt, dass höhere Einnahmen auch zu besserem Ausbau der Leitungen selbst in ruralen Gebieten führen würde.
Gegen diesen Ansatz wurden bereits im Vorfeld der Entscheidung zahlreiche Bedenken geltend gemacht. Speziell kleine Start-up Unternehmen würden von einer solchen Regelung stark betroffen, da diese nicht den monetären Hintergrund haben, um sich Bandbreite hinzukaufen zu können. Dagegen könnten die Marktführer wie Google, Facebook und Amazon, oder auch Netflix ihre Inhalte bevorzugt einbinden. Außerdem wäre auch eine Regelung möglich, die eine bessere Übertragungsrate direkt von den Zahlungen der Kunden abhängig macht. Somit würde im schlimmsten Fall ein freies Internet mit hohen Übertragungsraten nur für wohlhabende Personen zugänglich. Einige Stimmen sind auch der Ansicht, dass die Netzneutralität daraus resultieren sollte, dass ein Internetzugang ein modernes Grundrecht darstellt und daher ein freier und gleicher Zugang zu Netzinhalten jedem zustehe.
Netzneutralität in der EU
Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese Entscheidung der FCC, die beklagt werden dürfte, auf die Entwicklung der Netzneutralität in der EU haben wird. Verfahrensrechtlich ist insoweit beachtlich, dass sich die für die Umsetzung und Überwachung der Regelungen zur Netzneutralität in der Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 zuständige BEREC und die FCC regelmäßig in Treffen austauschen. Ob dieser Austausch unter den veränderten politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen in den USA zu einem Impuls in Richtung auf eine Lockerung der Netzneutralitätsregeln in der EU führen wird, ist nicht absehbar.
Allerdings stehen bei Fortbestehen der bisherigen Verordnung sekundärunionsrechtliche Regeln einem Abbau von Diskriminierungsverboten, die der Netzneutralität dienen, entgegen. Als Anknüpfungspunkte für mögliche Diskriminierungen gelten nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung die Standorte des Anbieters, sowie des Endnutzers, Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste. Dabei werden zwar sämtliche Diskriminierungen, was Übertragungsgeschwindigkeit angeht, behandelt, jedoch ist eine Freistellung von einer Datenvolumenbegrenzung in Form des Zero-Rating möglich. Auch eine Diskriminierung bezüglich der Hardware ist laut Art. 3 Abs. 1 der Verordnung nicht zulässig. Daher war eine der ersten spürbaren Auswirkungen der Verordnung die Abschaffung des Routerzwanges (vgl. https://rsw.beck.de/cms/?toc=MMR.ARC.201601&docid=374715), der Internetanbietern erlaubte einen bestimmten unternehmenseigenen Router vorzuschreiben..
Zur Entscheidung der FCC (derzeit nur in Form einer Pressemitteilung)
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