Mit Beschluss vom 18. Februar 2019 (1 BvR 2556/17) hat das BVerfG entschieden, dass das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 6 Abs. 1 GG einer zivilprozessualen Obliegenheit der Inhaber eines Internetanschlusses nicht entgegenstehe, zu offenbaren, welches Familienmitglied den Anschluss genutzt hat, wenn über den Anschluss eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde. Die gegen eine Verurteilung zu Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten gerichtete Verfassungsbeschwerde von Eltern, die zwar wussten, aber im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens nicht offenlegen wollten, welches ihrer Kinder eine Urheberrechtsverletzung über den Anschluss der Familie begangen hatte, nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an. 

In der Sache ging es um die Benutzung einer illegalen Filesharing-Software über die über den Anschluss der Familie ein Musikalbum ohne Einwilligung des Rechtsinhabers angeboten wurde. Von der Inhaberin der Verwertungsrechte an den betroffenen Musiktiteln in Anspruch genommen, gaben die Eltern zwar eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, verweigerten aber die Zahlung von Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten mit dem Verweis darauf, dass sie selbst ihren Anschluss während der maßgeblichen Zeit nicht genutzt hätten. Gleichzeitig brachten die Eltern allerdings vor, dass sie wüssten, dass eines ihrer Kinder den Anschluss genutzt hätte, wollten aber nicht offenbaren, welches. Die Rechteinhaberin erhob daraufhin Klage beim Landgericht und bekam Recht: Wird eine Urheberrechtsverletzung über einen bestimmten Anschluss begangen, so spricht eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers und dieser trägt die sekundäre Darlegungslast, der die Eltern im konkreten Verfahren nicht ausreichend nachgekommen seien (Urteil des Landgerichts München I vom 1. Juli 2015 – 37 O 5394/14 -). Die hiergegen gerichtete Berufung (Urteil des Oberlandesgerichts München vom 14. Januar 2016 – 29 U 2593/15 -) und auch die Revision (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2017 – I ZR 19/16 -) blieben erfolglos, woraufhin die Eltern Verfassungsbeschwerde wegen der Verletzung ihrer Rechta aus Art. 6 Abs. 1 GG einlegten. 

Diese nahm das BVerfG nunmehr nicht zur Entscheidung an. Zwar ergebe sich aus Art.  6 Abs. 1 GG zwar ein Recht, Familienmitglieder nicht zu belasten, nicht aber auch ein Schutz vor negativen prozessualen Folgen dieses Schweigens. Die Abwägung der vorinstanzlichen Gerichte, bei der sowohl Art. 6 Abs. 1 als auch Art. 14 auf der Seite der Rechteinhaberin eine erhebliche Rolle spielten, sei vor einem verfassungsrechtlichen Hintergrund nicht zu beanstanden gewesen. Es sei insbesondere verfassungskonform gewesen, den Beschwerdeführer zur Entkräftung der Vermutung für ihre Täterschaft als Anschlussinhaber aufzuerlegen, ihre Kenntnisse über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung mitzuteilen und auch aufzudecken, welches ihrer Kinder die Verletzungshandlung begangen hat, sofern sie davon Kenntnis erlangt haben. Zwar kenne das Zivilprozessrecht einen Schutz vor Selbstbezichtigungen und Belastungen von nahen Angehörigen. Allerdings könne ihnen dennoch das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung auferlegt werden. Das sei insbesondere vor dem vorliegenden Hintergrund maßgeblich: Die Durchsetzung ihrer Rechte sei für Rechteinhaber in Filesharing-Verfahren aufgrund von Beweisproblemen besonders schwierig, da der Bereich der Internetnutzung durch den Anschlussinhaber ihnen völlig entzogen sei. Die erhebliche Beeinträchtigung ihrer Interessen aus Art. 14 GG müssten daher angesichts der eher geringen  Beeinträchtigung der familiären Beziehungen, bei der ja rein faktisch eine Wahlmöglichkeit zur Offenbarung grundsätzlich besteht, Vorrang haben. Der Schutz der Familie diene nicht dazu, sich aus taktischen Erwägungen der eigenen Haftung für die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums zu entziehen. Ob es darüber hinaus gerechtfertigt wäre, dem Anschlussinhaber auch Nachforschungs- oder Nachfragepflichten aufzuerlegen, bedurfte keiner Entscheidung und wurde dementsprechend vom BVerfG nicht behandelt.

Schließlich führte das BVerfG abschließend noch zum unionsrechtlichen Zusammenhang aus, dass sich die Entscheidung (auch) an den Grundrechten des Grundgesetzes zu orientieren habe und nicht ausschließlich an den Grundrechten der EU, wenn den Mitgliedstaaten – wie im Rahmen der Urheberrechtsrichtlinie – Umsetzungsspielräume zustünden.

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist abrufbar unter: 

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2019/02/rk20190218_1bvr255617.html;jsessionid=8198E38D6DFA220D935820C41B39A856.2_cid370

Seite Drucken