In seinem Urteil vom 01.03.2017 – Rs. C-275/15 – hat der EuGH festgestellt, dass Art. 9 der Urheberrechtsrichtlinie dahingehend auszulegen ist, dass er keine nationalen Regelungen erlaubt, nach der das Urheberrecht nicht verletzt wird, wenn Werke, die von Fernsehsendern mit Gemeinwohlverpflichtungen ausgestrahlt wurden, im Gebiet der ursprünglichen Ausstrahlung umgehend über Kabel oder gegebenenfalls mittels Internet weiterverbreitet werden. Dabei beschäftigte sich der EuGH in seinem Urteil vor allem mit dem Begriff des „Zugangs zum Kabel von Sendediensten“, der nach Art. 9 der Urheberrechtsrichtlinie von dieser unberührt bleibt.
Im konkreten Ausgangsverfahren, das vor dem Court of Appeal (England & Wales, Civil Division) geführt wurde, klagten mehrere kommerzielle Fernsehsender gegen einen Mediendienstleister,
der es seinen Nutzern unentgeltlich ermöglichte, die Inhalte der klagenden Fernsehsender im Internet „live“ über Streaming zu empfangen. Das Gericht sah dabei ein mögliches Verteidigungsmittel der Beklagten in einer Vorschrift des Copyright, Designs and Patents Acts in der Fassung von 2003 (CDPA), mit der die Urheberrechtsrichtlinie umgesetzt wurde. In Section 73 (2) (a) und (3) CDPA wurde dabei vorgesehen, dass das Urheberrecht an einer Sendung bei einer Kabelweitersendung nicht verletzt würde, wenn und soweit die Sendung für den Empfang in dem Gebiet, in dem sie über Kabel weiterverbreitet wird, bestimmt ist und zu einem in Betracht kommenden Dienst gehört. Das Gericht legte dem EuGH nun im Zuge dieses Verfahrens die Frage vor, ob Art. 9 der Richtlinie und insbesondere der Begriff „Zugang zum Kabel von Sendediensten“ mit der nationalen Vorschrift vereinbar ist, nach der bei einer Weiterverbreitung von Werken im Gebiet der ursprünglichen Ausstrahlung über Kabel (und ggf. das Internet) keine Urheberrechtsverletzung vorliegt.
In seinem Urteil stellte der EuGH zunächst fest, dass der Begriff „Zugang zum Kabel von Sendediensten“ in der gesamten Union einer autonomen und einheitlichen Auslegung bedarf, was aus einer fehlenden Verweisung in das Recht der Mitgliedsstaaten folgt. Daneben besteht bereits nach dem Wortlaut ein Unterschied zwischen der „Weiterverbreitung über Kabel“ und dem „Zugang zum Kabel“. Weiter stellt die Richtlinie bereits in Art. 1 Abs. 2 lit. c fest, dass die Regelungen über die Kabelweiterverbreitung (namentlich aus der Richtlinie 93/83, die für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich ist) vom Anwendungsbereich der Urheberrechtsrichtlinie ausgenommen bleiben.
Zuletzt stellte der EuGH auf das Ziel der Richtlinie ab, nämlich die Schaffung eines hohen Schutzniveaus für die Urheber, womit ihnen die Möglichkeit gegeben werden soll, für die Nutzung ihrer Werke u. a. bei einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten. Dabei soll der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ weit ausgelegt werden, womit auch ausdrücklich eine Weiterverbreitung mittels Internetstreaming umfasst sein soll. In Folge dessen ist eine Wiedergabe ohne die Zustimmung des Urhebers nicht gestattet, außer, dass eine Ausnahme oder Beschränkung der Richtlinie nach Art. 5 derselben vorliegt, die im konkreten Fall jedoch nicht ersichtlich gewesen ist. Im Ergebnis würde eine Auslegung von Art. 9 der Richtlinie, die eine Weiterverbreitung nach nationalem Recht wie im Ausgangsfall ohne Zustimmung der Urheber erlauben würde, dazu führen, dass das gewünscht hohe Schutzniveau für die Urheber geschwächt würde und darüber hinaus dem abschließenden Charakter von Art. 5 der Richtlinie entgegenlaufen.
Das Urteil des EuGH vom 01.03.2017 – Rs. C 275/15 – ist in deutscher Sprache abrufbar.
Ursprünglich erschienen im EMR-Newsletter 06/2017. Author ist Sebastian Klein.