Mit Urteil vom 9.6.2019 (VI ZR 89/18) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein Fernsehveranstalter, der im Rahmen seiner Beiträge Persönlichkeitsrechte verletzt, auch dann zur Haftung herangezogen werden kann, wenn der Veranstalter selbst den Beitrag nicht mehr zur Verfügung stellt, aber Dritte diesen auf anderen Plattformen wie YouTube oder Facebook weiterverbreiten. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert würden, sei die ursprüngliche Zurverfügungstellung des Beitrags auch noch kausal für die Rechtsverletzung durch Weiterverbreitung – so der BGH.

In der Sache ging es um einen Dokumentarfilm mit dem Titel „Provinz der Bosse – die Mafia in Mitteldeutschland“, der vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) im November 2015 ausgestrahlt wurde und anschließend einen Monat in der Mediathek des Senders abrufbar war. Unter anderem wurde der spätere Kläger unter einem Pseudonym in diesem Beitrag als Finanzverwalter der „Ndragheta“, einem Ableger der kalabrischen Mafia, dargestellt. Gestützt auf eine Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes nahm der Betroffene unter anderem den MDR erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch. Ebenfalls im November 2015 wurde der Beitrag allerdings von verschiedenen Dritten unter anderem bei YouTube und Facebook hochgeladen, wogegen der von der Berichterstattung Betroffene anwaltlich vorging. Mit einer erneuten Klage verlangte er im Anschluss unter anderem vom MDR den Ersatz, der ihm hierdurch entstandenen Anwaltskosten.

Während das Landgericht dieser Klage in erster Instanz stattgab, wies das Oberlandesgericht den Anspruch in der Berufung mit der Begründung zurück, dass der Beitrag zwar Ursache für die Weiterverbreitung und damit der MDR als Störer anzusehen sei, aber nicht die notwendige äquivalente und adäquate Kausalität für eine Haftung vorliege. Der nunmehr mit der Revision befasste BGH wiederum hob das Urteil des Oberlandesgerichts teilweise auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

Durch das Zurverfügungstellen des Beitrags in seiner Mediathek, habe der MDR die weitere Veröffentlichung auf anderen Plattformen wie hier unter anderem YouTube und Facebook verursacht. Im Gegensatz zur Auffassung des Oberlandesgerichts seien ihm diese Handlungen, die erneut das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen, aber auch zurechenbar. Meldungen im Internet – wie Videos in Mediatheken – würden typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert, sodass der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang hier gegeben sei. Insbesondere könne dieser nicht allein deshalb verneint werden, weil es außer der Erstveröffentlichung in der Mediathek noch weitere Ursachen (nämlich das selbstständige Handeln eines Dritten) für die Rechtsverletzung gebe. Laut BGH wirken die (internettypischen) Gefahren, die der Upload in die Mediathek gesetzt hat, in dem Upload durch Dritte auf anderen Plattformen fort. Dabei sah es der BGH als irrelevant für die Zurechnung an, dass auch der MDR gerade kein Interesse am Upload seiner Beiträge auf Drittplattformen durch Dritte hat (sowohl wegen der Weiterverbreitung von persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten als auch aus urheberrechtlichen Gesichtspunkten heraus). Vielmehr sei hier gerade zu berücksichtigen, dass der Erstveröffentlicher selbst haftungsrechtlich gegen den Weiterverbreiter vorgehen und sich daher finanziell entschädigen könne. Auch die grundrechtlich geschützte Presse- bzw. Rundfunkfreiheit stehe einer solchen Bewertung nicht entgegen.

Schließlich, so der BGH weiter, widerspreche diese Beurteilung auch nicht der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine Haftung für Folgeveröffentlichungen nur bestehe, wenn sie dem Erstveröffentlicher wirtschaftlich zugutekommen, da diese nur für den Umfang vertraglicher oder gesetzlicher Unterlassungspflichten gelte.

Das Urteil des BGH vom 9.4.19 (VI ZR 89/18) ist abrufbar unter:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=VI%20ZR%2089/18&nr=96640