EuGH-Generalanwalt Saugmandsgaard Øe stellte am 15.07.2021 seine Schlussanträge im Rechtsstreit (Az. C-401/19). Hierin vertritt er die Ansicht, dass die Regelung aus Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt (DSM-RL), die unter dem Stichwort « Upload-Filter » (im ursprünglichen Kommissionsvorschlag noch Artikel 13) heftig diskutiert worden ist, die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit nicht verletzt. Der Unionsgesetzgeber darf die « Filterung » auferlegen, soweit die Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit so gering wie möglich gehalten werden. Art. 17 DSM-RL trägt dem nach Ansicht des Generalanwaltes Rechnung, da die Regelung angemessene Vorkehrungen zum Schutze der Meinungsfreiheit vorsähen.

Hintergrund des Verfahrens vor dem EuGH war die Klage von Polen gegen das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union, wonach Polen in Form einer Nichtigkeitsklage gem. Art. 263 AEUV die Nichtigerklärung des Art. 17 Abs. 4 lit. b und Art. 17 Abs. 4 lit. c der DSM-RL erreichen wollte. Nach Polens Standpunkt verletze die hierin « Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten » auferlegte Pflicht, « nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen » zu unternehmen, um sicherzustellen, dass urheberrechtlich geschützte Werke nicht illegal auf ihren Plattformen verfügbar sind,  die Meinungsfreiheit und das Recht auf Informationsfreiheit gem. Art. 11 Grundrechte-Charte (GRC). Hierdurch notwendig werdende vorherige automatische Überprüfungen von durch Nutzer bereitgestellten Inhalten, sowie die präventiven Kontrollmechanismen durch Software-Tools würden die Meinungsfreiheit der Nutzer unangemessen einschränke. Argumentativ stellte sich Polen auf den Standpunkt, dass die durch Art. 17 DSM-RL vorgeschriebene Filterung der Inhalte eine vorbeugende Überwachung von Informationen sei.

Dem stimmte der Generalanwalt dahingehend zu, dass ein Eingriff in Art. 11 GR-Ch zwar vorliege, jedoch sei dieser unter Berücksichtigung des Art. 52 Abs. 1 GRC zulässig. Er brachte vor, dass die Formulierungen in Art. 17 Abs. 4 DSM-RL trotz einigen unbestimmten Rechtsbegriffen, als « klar und präzise » genug zu qualifizieren seien. Hinsichtlich des Vorwurfs aus Polen, dass mit der Regelung des Upload-Filters der Wesensgehalt der Meinungs- und Informationsfreiheit berührt würde, entgegnete der Generalanwalt, dass dies nicht der Fall sei. Vielmehr handele es sich hier um eine zugelassene Form der Beschränkung der Meinungsfreiheit, weil es sich um spezifische Fälle der Überwachungspflicht von Inhalten handele. Unter Bezug auf das Urteil Glawischnig-Piesczek (Az. C-18/18) führte er aus, dass « die Verpflichtung des Betreibers eines sozialen Netzwerks, alle in dieses Netz hochgeladenen Informationen zu überwachen » als spezifische Pflicht anzusehen sei. Demnach handele es sich auch hier um eine indirekte « spezifische » Überwachungspflicht, sodass der Wesensgehalt des Grundrechts nicht betroffen sei. 

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung führte der Generalanwalt aus, dass sich vor dem Hintergrund des großen wirtschaftlichen Schadens, den Rechteinhaber durch unberechtigtes Teilen ihrer Inhalte auf Plattformen erleiden, sowie den damit verbundenen Schwierigkeiten der gerichtlichen Verfolgung auch eine Verhältnismäßigkeit der Rechtsvorschrift ergebe. Die von Polen als kritisch gesehenen Gefahr des « Overblockings » durch Upload-Filter sieht der Generalanwalt zwar als gegeben, jedoch sei das Gefährdungspotential durch die in den Art. 17 Abs. 7-10 vorgesehenen Schutzvorkehrungen minimiert worden.

Dabei ist allerdings anzumerken, dass die Schlussanträge umfängliche Ausführungen zur « richtigen Auslegung » von Art. 17 enthalten, um die Bestimmung vereinbar mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu machen. So stellt der Generalanwalt etwa klar, dass eine Auslegung, der zufolge Inhalte systematisch ex ante gesperrt werden dürfen, sofern die Nutzer ex post ihre erneute Freigabe erreichen könnten, seines Erachtens mitnichten das naheliegendste Verständnis von Art. 17 sei. 

Ob der EuGH den Ausführungen des Generalanwaltes folgt, bleibt abzuwarten. 

Die Schlussanträge vom 15.07.2021 des Generalanwaltes in der Rechtssache Az. C-401/19 sind abrufbar auf der Website des Europäischen Gerichtshofes. 

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