Das Bundesamt für Verfassungsschutz muss einem Journalisten bestimmte Auskünfte erteilen, die dieser über das Disziplinarverfahren begehrt, das gegen einen seiner Beamten wegen der Vernichtung von Akten geführt wurde. Dies hat das Oberverwaltungsgericht NRW durch Berufungsurteil vom 20. September 2018 (Az. 15 A 3070/15) entschieden.

Zum Sachverhalt: Kurz nach Bekanntwerden der terroristischen Vereinigung NSU im November 2011 vernichtete ein Beamter des Bundesamtes für Verfassungsschutz einige der dort geführten Akten zu V-Leuten in der rechten Szene. Aus diesem Grund wurde gegen den Beamten mit dem Tarnnamen « Lothar Lingen » ein Disziplinarverfahren geführt. Der Kläger, ein Journalist, begehrt vom Bundesamt Auskunft über das Disziplinarverfahren. Vor allem möchte er wissen, wie das Verfahren ausgegangen ist und mit welchem Aufwand das Bundesamt die disziplinarischen Ermittlungen geführt hat. Das Verwaltungsgericht Köln hatte in 1. Instanz (6 /14 K 5143) der darauf gerichteten Klage des Journalisten weitgehend entsprochen.

Zum Urteil des OVG NRW: Das OVG NRW hat auf die Berufung des Bundesamtes das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert. Über den konkreten Ausgang des Verfahrens und die von Kollegen des Beamten möglicherweise angestellten Vermutungen über dessen Motive müsse das Bundesamt keine Auskunft geben. Demgegenüber seien insbesondere Informationen zur Dauer des Ermittlungsverfahrens, zum Umfang der Ermittlungsakte, zur Zahl der befragten Personen und zur Frage, ob der Beamte eigenmächtig gehandelt habe, zu erteilen.

Zur Begründung verwies das OVG darauf, dass dem durch das Grundrecht der Pressefreiheit geschützten Berichterstattungsinteresse des Klägers und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorliegend ein überragendes Gewicht zukomme. In der öffentlichen Diskussion und Berichterstattung zu den von den Mitgliedern des NSU verübten Morden und weiteren Straftaten habe von Anfang an auch die Frage eines Versagens der Sicherheitsbehörden breiten Raum eingenommen. Insbesondere der Vorgang der Aktenvernichtung im Bundesamt für Verfassungsschutz habe Mutmaßungen begründet, dass es auch auf Seiten des Bundesamtes Fehleinschätzungen, Nachlässigkeiten und Pflichtwidrigkeiten gegeben habe, ohne die der NSU-Terror möglicherweise ein früheres Ende gefunden hätte. Das hieraus resultierende öffentliche Interesse überwiege mit Blick auf einen Teil der Fragen das Persönlichkeitsinteresse des Beamten und das Vertraulichkeitsinteresse seines Dienstherrn, der Bundesrepublik Deutschland. Dass die Disziplinarvorgänge inzwischen gegen den Beamten nicht mehr verwertet werden dürften, stehe der Auskunftserteilung im vorliegenden Einzelfall nicht entgegen.

Das Oberverwaltungsgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

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