Nach dem Auftakt der Veranstaltungsreihe zur Novelle des Urheberrechts, die in der vergangenen Woche einen Überblick darüber gegeben hat, was zur Novellierung überhaupt ansteht, ging es nun im zweiten Online-Seminar ins Detail einer der im Prozess der Urheberrechtsreform auf EU-Ebene am heftigsten diskutierten Regelungen: die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter.  Unter diesem Stichwort befasste sich das Online-Seminar insbesondere mit Art. 17 DSM-RL und dessen Umsetzung im deutschen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes. Die Referenten schilderten aus unterschiedlichen Perspektiven – der Wissenschaft, der Musikindustrie, der Plattformen und der Verbraucher – wie Art. 17 DSM-RL umzusetzen wäre und bewerteten dabei die Vorschläge aus dem nationalen Entwurf. Dabei geht es darum, wie Plattformen Lizenzen erwerben und sich durch die Einhaltung konkret geregelter Sorgfaltspflichten von ihrer Haftung befreien (können), wobei insbesondere das Stichwort « Uploadfilter » eine Rolle spielt sowie die Reaktion auf Beschwerden von Rechteinhabern und die Beachtung von Schranken der erlaubten Nutzung durch die Nutzer der Plattformdienste. Das Online-Seminar machte dabei schnell deutlich, dass sowohl die Interessen der beteiligten Akteure als auch die Ansichten zu der Frage, ob der deutsche Umsetzungsentwurf gelungen ist oder nicht, durchaus sehr unterschiedlich sind. 

Mit einer Einführung in die Thematik startete Prof. Dr. Michael Grünberger, Universität Bayreuth, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Urheber- und Medienrecht. Er gab einen Überblick und schilderte den aktuellen Stand, was sowohl die Implikationen von Art. 17 als auch dessen Umsetzung im UrhDaG-E betrifft. Aus wissenschaftlicher Perspektive bewertete er den Referentenentwurf in dieser Hinsicht grundsätzlich als gelungen und ging dabei insbesondere auf fünf Innovationen ein, die aus seiner Sicht im Entwurf einer angemessenen Regelung zugeführt werden: In der angemessenen Ausgestaltung der Verteilung von Suchkosten, der « Uploadfilter »-Regelung orientiert am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der prozeduralen Elemente in der Prüfung von Urheberrechtsverletzungen, der Vergütung für Kreative und der maschinellen Überprüfbarkeit gesetzlich erlaubter Nutzungen erkannte Grünberger gute Ansätze.

Anders die Sichtweise der Rechteinhaber, die René Houareau, Geschäftsführer Recht & Politik des Bundesverbandes Musikindustrie e. V., im Anschluss schilderte. Er äußerte insbesondere die Befürchtung, dass der Kompromiss für einen angemessenen Ausgleich aller beteiligten Akteure, der nach langen Verhandlungen auf EU-Ebene in der DSM-Richtlinie gefunden wurde, nun von der nationalen Umsetzung konterkariert werde. Das, was bereits einen demokratischen Prozess durchlaufen habe, dürfe nun nicht auf nationaler Ebene völlig anders gewichtet werden. Kritisch zeigte er sich gegenüber dem Referentenentwurf insbesondere in Bezug auf die §§ 4 ff. UrhDaG-E unter dem Stichwort der gesetzlichen Erzwingung kollektiver Lizenzierungssysteme und deren Konzentration bei den Verwertungsgesellschaften, die den Rechteinhabern die von ihnen gewünschten und bereits praktizierten Verhandlungsoptionen gegenüber Diensteanbietern entziehen würden. Der Entwurf sehe bei der Umsetzung von Art. 17 DSM-Richtlinie eine so nicht vom europäischen Vorbild vorgesehene einseitige Benachteiligung der Rechteinhaber vor, in dem diese in die Verantwortung gerückt würden, ihre Rechte gegenüber den Plattformanbietern anzubieten. Das, so Houareau, könne zu einer « Copyright Insel » und zu einem Standortnachteil für Deutschland führen.

Eine einseitige Benachteiligung von Akteuren sah auch Sabine Frank, Leiterin Government Affaires und Public Policy für YouTube DACH/CEE. Allerdings nicht in Bezug auf die Rechteinhaber, sondern bei den Plattformanbietern. Auch Frank hob hervor, dass Art. 17 DSM-RL dazu gedacht sei, einen angemessenen Ausgleich zwischen allen Akteuren, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Dies würde sich aber im Referentenentwurf nicht widerspiegeln. Sehr kritisch aus Sicht der Plattformanbieter seien dabei insbesondere vier Punkte zu bewerten: Die Verpflichtung von Plattformen zum Lizenzerwerb, die einen Kontrahierungszwang begründe und dabei keinen Raum für die in der DSM-Richtlinie vorgesehenen haftungsbefreienden « best efforts » lasse, die Verpflichtung zur Streitschlichtung, die die Plattformanbieter in die Rolle eines Richters rücke,  das Verbot für Diensteanbieter, von Nutzern gekennzeichnete Inhalte zu sperren sowie die Verpflichtung zu einer Mehrzahl von Vergütungsansprüchen, insbesondere zur Zahlung einer Direktvergütung. Die vorgeschlagene Ausgestaltung sei hier weder vom Wortlaut noch vom Geiste der DSM-Richtlinie gedeckt. 

Aus der Sicht von Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Daten- und Informationsrecht an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, führt dagegen der Referentenentwurf in Bezug auf die Ausgestaltung der « Uploadfilter »-Regelung zu einer Benachteiligung der Verbraucher – also der Nutzer der Plattformdienste. Art. 17 DSM-RL fordere in unionsgrundrechtskonformer Umsetzung, die aus Sicht von Specht möglich, aber anpassungs- und auslegungsbedürftig ist, eine nutzerfreundliche Ausgestaltung. Dies erfordere neben nutzerfreundlichen Verfahrensvorgaben wie zum Beispiel Flagging-Mechanismen auch die Einräumung subjektiver Nutzerrechte im nationalen Recht, damit diese die Schranken, die das Urheberrecht ihnen für die erlaubte Nutzung von Werken zugesteht, auch aktiv ausüben können. Das dürfe nicht gehemmt werden, indem die Nutzer bei der Erstellung von Inhalten in die Verantwortung gezogen werden, die Einhaltung und Reichweite der Schranken erlaubter Nutzung im Detail selbst mit ihren regelmäßig begrenzten Mitteln zu prüfen. Der deutsche Umsetzungsentwurf, der zwar teilweise nutzerfreundliche Verfahrensrechte in §§ 8 ff. UrhDaG vorsehe, aber keine ausreichenden Schutzmechanismen für die Wahrnehmung von Urheberrechtsschranken, kompensiere den Eingriff in Art. 11 GrCh nicht ausreichend und sei daher unverhältnismäßig, mithin unionsrechtswidrig in Bezug auf die Umsetzung von Art. 17 DSM-RL. 

Zwei weitere Themenfelder wollen wir in zwei kommenden Online-Seminaren im Detail beleuchten. Auf diese möchten wir Sie auch in diesem Zusammenhang noch einmal hinweisen und Sie herzlich zur Teilnahme einladen: 

LEISTUNGSSCHUTZRECHT DER PRESSEVERLAGE
Montag, 23. November 2020, 10:00 Uhr bis ca. 11:00 Uhr

URHEBERVERTRAGSRECHT
Donnerstag, 26. November 2020, 10:00 Uhr bis ca. 11:00 Uhr

Eine Anmeldung ist über https://emr-sb.de/urhr2020/ erforderlich. Dort finden Sie auch das Programm im Detail.