Eine erste Einordnung der Schrems-Entscheidung des EuGH vom 25.01.2018.
Von Dr. Jörg Ukrow, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des EMR
Nachdem wir bereits im November 2017 über die Schlussanträge des Generalstaatsanwalts in der Sache Schrems gegen Facebook vor dem EuGH berichtet hatten, hat der EuGH nunmehr entschieden.
Zur Vorgeschichte: Herr Schrems ist ein österreichischer IT-Experte und Datenschützer, der bereits mehrmals Prozesse mit Datenschutzbezug vor dem EuGH geführt hat. Nunmehr ging es um die Möglichkeit eine Sammelklage wegen verschiedener Datenschutzverletzungen von Facebook vor einem österreichischen Gericht zu erheben. Dabei wurden Schrems von anderen Betroffenen etwaige datenschutzrechtliche Ansprüche abgetreten. Es ging vornehmlich darum verschiedene Klauseln der AGB von Facebook für unwirksam erklären zu lassen sowie Unterlassungsansprüche zur Verwendung der streitgegenständlichen Daten durchzusetzen.
Facebook bestritt in der Folge die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte.
Der EuGH stellt in seiner heutigen Entscheidung zunächst fest, dass Herr Schrems seine Verbrauchereigenschaft i.S. des insoweit streitgegenständlichen Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) über das ökonomische Interesse, das er inzwischen an Fragestellungen des Daten- und Verbraucherschutzes hat, nicht verloren hat. Es sei unerheblich, dass er Bücher publiziere, sich Ansprüche abtreten lasse, Websites betreibe, Vorträge halte oder Spenden sammele. Der EuGH stellt insoweit auf den tatsächlichen Zweck des zwischen dem Anbieter und dem Verbraucher geschlossenen Vertrages ab. Dieser müsse privater Natur sein und nicht rein beruflichen Zwecken dienen. Eine einengende Auslegung des Verbraucherbegriffs, die die genannten publizistischen und zivilgesellschaftlichen Tätigkeiten ausschließe, würde aus – insoweit zutreffender – Sicht des EuGH darauf hinauslaufen, eine effektive Verteidigung der Rechte, die den Verbrauchern gegenüber ihren gewerblichen Vertragspartnern zustehen, einschließlich der Rechte auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten zu verhindern. Eine solche Auslegung würde namentlich auch dem in Art. 169 Abs. 1 AEUV angeführten Ziel der Förderung ihres Rechts auf Bildung von Vereinigungen zur Wahrung ihrer Interessen zuwiderlaufen. Für ein solches Verständnis spricht im Übrigen auch eine grundrechtseffektuierende Auslegung des Verbraucher-Begriffs der Verordnung, auf die der EuGH allerdings nicht eingegangen ist.
Während Schrems mithin nach der EuGH-Entscheidung in Bezug auf unmittelbare eigene Ansprüche gegen Facebook vor den österreichischen Gerichten als den Gerichten des EU-Mitgliedstaates, in dem Schrems seinen Wohnsitz hat, in unter Zuständigkeitsblickwinkel rechtmäßiger Weise klagen kann, ist ihm diese Klagebefugnis in Bezug auf Ansprüche Dritter nach der Entscheidung verwehrt.
Der EuGH führt insoweit aus, dass der Verbrauchergerichtsstand aus der EG-Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, nicht dazu diene, abgetretene Ansprüche, sei es aus demselben Mitgliedsstaat, einem anderen Mitgliedsstaat oder einem Drittstaat, geltend zu machen. Er sei vielmehr dafür gedacht als Verbraucher seine Ansprüche effektiv persönlich geltend zu machen.
Daher kann der Verbrauchergerichtsstand für abgetretene Ansprüche von Verbrauchern keine Anwendung finden.
Dass die Entscheidung des EuGH insoweit nicht zwingend war, zeigten bereits die Stellungnahmen Deutschland und Österreichs in dem Verfahren auf. Das jetzige Urteil hemmt einen effektiven Verbraucher-, namentlich Verbraucherdatenschutz; es steht namentlich der Entwicklung einer prozessualen Gleichgewichtssituation zwischen klagendem Einzelnen und beklagten Internet-Großkonzernen entgegen und erschwert die Entwicklung eines einheitlichen justiziellen Verständnisses materiell-rechtlicher Regelungen des Datenschutzrechts der EU.
Die bisherige mitgliedstaatliche Zurückhaltung bei der Eröffnung von Sammelklagemöglichkeiten mag diese Entscheidung des EuGH befördert haben. Es bleibt abzuwarten, ob der europäische Gesetzgeber die wahrnehmbare Lücke in einem effektiven Rechtsschutzsystem unter den Bedingungen zunehmender Markt- und Meinungsmacht der global agierenden Informationstechnologie-Giganten zu schließen bereit ist.