Das Fussl-Urteil des EuGH vom 4. Februar 2021 (Rs. C-555/19) hat Erstaunen ausgelöst. Der EuGH versäumt es in seinem Urteil der klaren Analyse und den Ergebnissen des Generalanwalts Szpunar in seinen Schlussanträgen zu folgen. Dieser hatte die Unionsrechtskonformität des in § 7 Abs. 11 RStV (nunmehr: § 8 Abs. 11 MStV) verankerten Verbots regionaler Fernsehwerbung eindeutig festgehalten, der EuGH selbst scheint mit seinem Urteil selbst eher in Richtung einer Bestätigung kritischer Stimmen in Bezug auf die Vereinbarkeit dieser Werberegulierung mit der Dienstleistungsfreiheit des EU-Rechts hinauszulaufen.

Das “Aktuelle Stichwort” von Dr. Jörg Ukrow, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des EMR, unter dem Titel “Sicherung regionaler Vielfalt – Außer Mode?” unterzieht die Entscheidung des EuGH einer kritischen Würdigung. Der Beitrag weist auf Defizite in der Erfassung des relevanten Sachverhalts hin, beleuchtet grundfreiheitsdogmatische Zweifel am weiten Begriff der Beschränkung der Grundfreiheit, der dem Urteil zugrunde liegt, und unterzieht die Verhältnismäßigkeitsprüfung des EuGH einer Analyse im Lichte bisheriger Rechtsprechung des EuGH sowie des Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten bei der Frage, wie Meinungsvielfalt gewährleistet wird. Der Beitrag zeigt die Schwierigkeiten auf, denen sich ein deutsches Zivilgericht durch die umfangreichen Prüfpflichten ausgesetzt sind, die der EuGH im Blick auf wirtschaftliche und wettbewerbliche Aspekte der eingeforderten Kohärenzkontrolle ausgesetzt sieht. Die Anmerkungen erinnern abschließend auch an den Prüfauftrag, den sich die Länder selbst in einer Protokollerklärung zum Medienstaatsvertrag in Sachen “Regionale Vielfalt” auferlegt haben.

Der Beitrag mündet in folgenden Ausblick:

“Die Entscheidung des LG Stuttgart im streitgegenständlichen Verfahren könnte Anlass geben, diesen Prüfauftrag zu ergänzen und beschleunigt abzuarbeiten. Es bleibt abzuwarten, ob das LG Stuttgart auf einen solchen „Impuls“ verzichtet, die Ausführungen des EuGH auch in ihrer Genese angemessen einordnet und seine begrenzten Möglichkeiten in Bezug auf den Prüfkatalog des EuGH erkennt. In der Konsequenz stünde ein Urteil, das dem gesetzgeberischen Spielraum der Länder bei der Schaffung einer auf regionale Vielfaltssicherung zielenden positiven Medienordnung ebenso hinreichend Rechnung trägt wie dem in dem Fussl-Urteil bestätigten europarechtlichen Ansatz, dass Gründe der Sicherung von Medienpluralismus die Rundfunkfreiheit beschränkende Maßnahmen auch deshalb rechtfertigen können, weil Pluralismus und die demokratische Grundwerteordnung der EU untrennbar miteinander verbunden sind.”