Wie finanziert man guten Journalismus als Public Value, wo das aus dem Markt heraus schwierig ist? Das war Gegenstand einer Veranstaltung des EMR mit Unterstützung der ProSiebenSat.1 Media SE. Die Münchner Unternehmensgruppe hat Prof. Dr. Mark D. Cole als Rechtslehrer an der Universität Luxemburg im vergangenen Jahr mit einem Gutachten beauftragt. Ziel der zusammen mit Prof. Dr. Jan Oster von der Universität Leiden erstellten Studie war den Rechtsrahmen zu klären, ob angesichts ihrer eigenständigen Rolle für Medien- und Meinungspluralismus auch private Rundfunkveranstalter eine finanzielle Unterstützung erhalten können.

Möglichkeiten und Grenzen staatlich veranlasster Finanzierung von Medieninhalten

In seiner Einführung bezog Cole Position, dass es mit der Studie nicht darum gegangen sei, die Beitragsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu thematisieren. Auch wenn wie von Professor Dr. Stephan Ory – dem Moderator der Veranstaltung – in seiner Einleitung dargestellt, die Studie teilweise so wiedergegeben wurde, als ginge es ProSiebenSat.1 darum, einen Anteil am Rundfunkbeitrag zu erhalten, zeigte auch der Diskussionsverlauf der Veranstaltung deutlich, dass die Frage des Rundfunkbeitrags von der Frage einer Vielfaltsförderung im dualen System getrennt zu sehen ist.

Der wissenschaftliche Direktor des EMR Cole machte deutlich, dass es darum gerade nicht gehe. Vielmehr sei die Finanzierung der Rundfunkanstalten eine gesondert zu sehende Frage, bei der das Bundesverfassungsgericht aus der Bestands- und Entwicklungsgarantie und dem Finanzgewährleistungsanspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Rahmenbedingungen abgeleitet habe. In seinem Vortrag ging es Cole darum, angesichts globaler Herausforderungen für Medienanbieter Denkverbote bei Finanzierungsfragen auszuräumen. So werde in den relevanten Regelungen der EU in der englischen Sprachfassung von „Public Service Broadcasting“ gesprochen – ähnlich wie in der französischen Sprachfassung. Von diesem angebotsorientierten Ansatz weiche das deutsche Verständnis ab und gehe von einer institutionellen Ausprägung aus, die meistens mit „öffentlich-rechtlichem Rundfunk“ übersetzt und mit den Rundfunkanstalten in Verbindung gebracht werde.

Sowohl aus dem deutschen Verfassungsrecht als auch aus dem europäischen Beihilferecht folgert Cole, dass entsprechende Angebote privater Medien durch öffentlich veranlasste Finanzierung unterstützt werden könnten. Voraussetzung sei eine exakte Beauftragung mit bestimmten Angeboten und eine staatsferne Finanzierung sowie eine Kontrolle der Mittelverwendung. Medienpolitisch müsse man sich überlegen, welche Angebote darunterfallen sollten. Cole sieht bei einer weiter schwierigen Situation von Medienangeboten ab einem bestimmten Punkt auch die Pflicht des Gesetzgebers, sich derartige Instrumente einfallen zu lassen. Der Gesetzgeber habe nicht nur die Pflicht, der Bestands- und Entwicklungsgarantie des  öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rechnung zu tragen. Seine Aufgabe sei auch, die Wettbewerbsfähigkeit privater Anbieter dauerhaft durch einen entsprechenden Regelungsrahmen zu sichern.

Die Finanzierungsmodelle aus Sicht von Medienanbietern

In einem ersten Panel diskutierten Medienunternehmen: Conrad Albert als Vorstandsvorsitzender von ProSiebenSat.1, Dr. Susanne Pfab als ARD-Generalsekretärin und Valdo Lehari jun. als Verleger. Auch Albert legte Wert auf die Feststellung, dass es seinem Unternehmen gerade nicht darum gehe, für bestehende Angebote Beiträge aus dem Rundfunkbeitrag oder andere öffentliche Mittel zu erhalten. Mit dem Modell einer ‚Medienordnung 4.0‘ – die Finanzierung von Inhalten statt Institutionen – wolle ProSiebenSat.1 einen konstruktiven Beitrag zum laufenden medienpolitischen Diskurs leisten. Denn globale Player dominierten den Zugang zu Inhalten. Dies sei eine gesellschaftlich relevante Herausforderung, da Informationen immer stärker über Algorithmen gefiltert werden und sich vor allem die jüngeren Zielgruppen zunehmend in digitalen Parallelwelten bewegen. Es sei daher elementar, sich jetzt für den Erhalt unserer ausgeprägten Medien- und Meinungsvielfalt zu engagieren. Albert forderte eine Strukturkommission für einen ‚Restart’ des dualen-Systems, um einen zukunftsfesten Rahmen zu schaffen und gemeinsam ein Pendant zum bisherigen, noch stark der analogen Welt verhafteten Rundfunkstaatsvertrag zu definieren.

Pfab betonte die Notwendigkeit, dass der Gesetzgeber zuerst einmal nachweist, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten ein Defizit haben, bevor er öffentliche Finanzierung für andere Angebote beschließt – hierin in der Tendenz vom ZDF-Justiziar Peter Weber in der Diskussion unterstützt. In dieser Diskussion wurde auch die Frage des Reformbedarfs im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenso kontrovers diskutiert wie die damit im Zusammenhang stehende Frage, ob und ggf. wie dessen Auftrag grundsätzlich überarbeitet und den Gegebenheiten einer konvergenten Medienlandschaft angepasst werden muss.

Lehari verwies im Panel auf verfassungsrechtliche Grundsätze. Die Presse lehne eine aus seiner Sicht eine Inhaltefinanzierung ab. So werde in Baden-Württemberg Lokalfernsehen finanziert und greife Werbeeinnahmen ab, die eigentlich für das Radio gedacht seien – ohne die Subventionierung sei das Lokalfernsehen aber nicht lebensfähig. Die Medienpolitik solle viel lieber auf nationaler und europäischer Ebene eine konsistente Politik machen etwa im Bereich von Datenschutz und vor allem beim Leistungsschutz der Presseverleger, damit über diesen Weg von den internationalen Plattformen Mittel erwirtschaftet würden, mit denen man Journalismus finanzieren kann.

Die Sichtweise von Regulierern und Politik auf unterschiedliche Finanzierungsmodelle

In einem zweiten Panel der Regulierer und der Politik wies Dr. Matthias Knothe, Staatskanzlei Schleswig-Holstein, den während der vorhergehenden Debatte an die Medienpolitik erhobenen Vorwurf unzureichender Vorsorge für die Vielfaltssicherung zurück. Die Medienpolitik sei aktiv und im Sommer erwarte er weitere Ergebnisse laufender Arbeitsgruppen u.a. zu Rundfunkbegriff, Plattformregulierung, Informationsintermediären und Medienkonzentrationsrecht mit beschlussfähigen Vorlagen. Er sah keine Defizite, die eine Finanzierung von Medienangeboten Privater durch öffentliche Mittel rechtfertigen. Auch die DLM-Vorsitzende Cornelia Holsten sah in der Auffindbarkeit von Angeboten in der digitalen Welt einen größeren Vorteil, den der Regulierer Medienanbietern schaffen könne als in der öffentlichen Finanzierung. Bewusst klammerte sie lokale und regionale Angebote aus dieser Diskussion aus. Marcel Regnotto vom BAKOM stellte die schweizerische Betrauungslösung vor, bei der sein Amt sich bewusst bei der inhaltlichen Bewertung von Angeboten zurückhalte und stattdessen durch strukturelle Förderungsmaßnahmen wie die Verwendung der Mittel zur Einsetzung von Redakteuren eine Erwartungshaltung an die entsprechende Produktion von relevanten Inhalten habe. Auch in der Schweiz werde seit Jahren kritisiert, dass man medienpolitisch nicht von der Stelle komme.

Am Ende der Debatte betonte Cole nochmals den gesetzgeberischen Handlungsbedarf und regte an, dass die Medienpolitik in neuen Dimensionen denken solle. Eine Medienpolitik auf der Höhe der digitalen und globalen Herausforderungen sollte einen verständlichen und für alle Formen digitaler und klassischer Angebote nach gleichen Grundsätzen ausgestalteten Rahmen definieren. Im Detail sei dieser Rahmen aber zwischen den Akteuren hoch kontrovers und eine kohärente Reform des Rundfunkstaatsvertrages äußerst komplex, was es den politischen Akteuren auch nicht leichter mache.

Hier können Sie die einleitende Präsentation  von Prof. Dr. Stephan Ory herunterladen. 

Hier können Sie die Präsentation  von Prof. Dr. Mark D. Cole herunterladen. 

Hier können Sie den Tagungsbericht  im PDF-Format herunterladen. 

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