Mit am 7. Juni 2018 veröffentlichtem Beschluss vom 2. Mai 2018 hat das BVerfG im Rahmen einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Grenzen einer Verpflichtung zum Abdruck einer nachträglichen Mitteilung bei rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung aufgezeigt.

Ausgangspunkt der Streitigkeit war ein Artikel, den das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL über die internen Zustände der HSH-Nordbank veröffentlicht hatte und in dem die Umstände der Entlassung eines ehemaligen Vorstandsmitglieds wegen des Verdachts der Weitergabe von vertraulichem Material an Journalisten thematisiert wurden. Es sei vorstellbar, dass der frühere Chefjustiziar dieser Landesbank an geheimen Spitzelaktionen gegen das Vorstandsmitglied beteiligt gewesen sei, die zu dessen womöglich auf einer Falschbezichtigung basierenden Entlassung geführt hätten.

Das Ermittlungsverfahren gegen den früheren Chefjustiziar stellte die Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachts ein. DER SPIEGEL wurde daraufhin in zwei Instanzen auf Klage des  früheren Chefjustiziar hin verurteilt richtigzustellen, dass der Kläger an den in dem Bericht beschriebenen Vorgängen nicht beteiligt gewesen sei. Nach Aufhebung und Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof verurteilte das Oberlandesgericht den SPIEGEL zum Abdruck einer vom Kläger formulierten Erklärung. Diese Nachtragserklärung müsse eine Passage aus dem ursprünglichen Bericht enthalten und mit dem Satz „Diesen Verdacht halten wir aus heutiger Sicht nicht aufrecht“ enden. Die Überschrift sei von „Richtigstellung“  in „Nachtrag“ zu ändern. Mit einer Verfassungsbeschwerde wandte sich der SPIEGEL u.a. gegen das Urteil des Oberlandesgerichts und die Entscheidung des BGH. Er machte unter anderem eine Verletzung seiner Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG geltend, da er trotz rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung zum Abdruck eines „Nachtrags“ verurteilt worden sei.

Das BVerfG bestätigte diese Verletzung. Zwar bestünden grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken, aus §§ 823 und 1004 BGB einen äußerungsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch abzuleiten. Bei der Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat sei zu berücksichtigen, dass diese stets das Risiko der Unrichtigkeit in sich trage und besonders belastende Auswirkungen auf den Betroffenen haben könne. Zur Abmilderung der Folgen einer solchen Berichterstattung könne es deshalb für den Fall, dass ein Ermittlungsverfahren eingestellt oder der Betroffene freigesprochen werde, als Ausgleich zwischen der Pressefreiheit und dem Persönlichkeitsschutz geboten sein, dem Betroffenen das Recht zuzubilligen, eine nachträgliche Mitteilung über den für ihn günstigen Ausgang des Strafverfahrens zu verlangen.

Eine solche nachträgliche Mitteilung über erst später bekanntwerdende Umstände unterscheide sich in ihren Anforderungen jedoch grundsätzlich von einer Richtigstellung gegenüber ursprünglich rechtswidrigen Presseberichten. Denn hier sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die ursprüngliche Berichterstattung verfassungsrechtlich von der Pressefreiheit gedeckt war und die Presseorgane diese grundsätzlich als abgeschlossen betrachten durften. Die Entscheidung, über welche Ereignisse berichtet wird, gehöre zum wesentlichen Inhalt der Pressefreiheit, weshalb die Presse nicht einer generellen Pflicht unterworfen werden dürfe, die Berichterstattung über ein einm

al aufgegriffenes Thema bei neuen Entwicklungen fortzusetzen oder im Nachgang zu einer Berichterstattung nachzuforschen, ob sich ein Verdacht bewahrheitet hat oder nicht.

Die Pressefreiheit erfordere, dass solche Ansprüche auf nachträgliche Mitteilung in Anschluss an eine ursprünglich rechtmäßige Verdachtsberichterstattung auf Ausnahmefälle begrenzt bleiben. Hiervon kann aus Sicht des BVerfG ausgegangen werden, wenn in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die entsprechenden Tatvorwürfe durch Einstellungsbeschluss fallen gelassen werden oder ein Freispruch gegenüber dem Betroffenen ergangen ist. Demgegenüber kann aus Sicht der Karlsruher Verfassungsrichter eine nachträgliche Mitteilung nicht unter Berufung auf neue Erkenntnisse und das Verlangen nach einer neuen Würdigung der Verdachtslage begehrt werden.

Auch hinsichtlich Inhalt, Form und Umfang des abzudruckenden Textes ist aus Sicht der 3. Kammer des Ersten Senats bei der Abwägung die ursprüngliche Rechtmäßigkeit des Textes zu berücksichtigen. Insbesondere darf die Presse hierbei nicht zu einer eigenen Bewertung der veränderten Sachlage verpflichtet werden. Die von ihr verlangte Erklärung muss sich auf eine  Mitteilung der geänderten Umstände in ihrem objektiven Gehalt beschränken. Soweit im Rahmen einer solchen nachträglichen Mitteilung darüber hinaus dritte Personen Erwähnung finden, sind auch deren Rechte zu wahren.

Diesen Maßstäben wurde die Entscheidung des Oberlandesgerichts aus Sicht des BVerfG nicht gerecht. Denn es habe nicht zwischen der Richtigstellung einer ursprünglich rechtswidrigen Berichterstattung und einer nachträglichen Mitteilung wegen qualifizierter geänderter Umstände unterschieden. Der dem SPIEGEL durch das Oberlandesgericht auferlegte „Nachtrag“ genüge auch hinsichtlich Inhalt, Form und Umfang nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Eine kurze Zusammenfassung der angegriffenen Berichterstattung und ein Hinweis darauf, dass das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, wären ausreichend gewesen, das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu schützen. Mehr hätte von der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung ihrer Meinungs- und Pressefreiheit nicht  verlangt werden dürfen. Zudem verletze die Entscheidung die Persönlichkeitsrechte zweier weiterer in dem Bericht genannter Personen.