In zwei Schlussanträgen hat sich der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs Szpunar am 10. Januar 2019 zur Reichweite des Rechts auf Vergessenwerden bei Suchmaschinen geäußert. Er vertritt dabei die Auffassung, dass den Betreiber einer Suchmaschine keine weltweite Löschpflicht treffe, sondern dieser lediglich dafür sorgen müsse, dass auf dem Gebiet der Europäischen Union die betreffenden Links wirksam und vollständig entfernt sind. Hierzu soll auch die Technik des „Geoblockings“ von IP-Adressen angewendet werden, zusätzlich zu einer Entfernung der Links auf den Domainnamen-Erweiterungen im Raum der Europäischen Union.

In einem zugrundeliegenden Fall hatte der französische Nationale Ausschuss für Informatik und Freiheitsrechte (CNIL) dem Suchmaschinenbetreiber Google eine Sanktion in Höhe von 100.000 Euro auferlegt, weil dieser sich weigerte eine weltweite Linklöschung vorzunehmen. Nach Ansicht des Generalanwalts sind die relevanten Bestimmungen des Unionsrechts jedoch so auszulegen, dass eine Wirkung des Rechts auf Vergessenwerden über die Landesgrenzen der 28 Mitgliedsstaaten hinaus abzulehnen sei. Bei Suchvorgängen im Internet wäre daher eine Differenzierung anhand des Ortes geboten, von dem aus die Suche vorgenommen wird. Der Generalanwalt schließt zwar eine weltweite Löschpflicht nicht generell aus, sah diese vorliegend jedoch nicht gerechtfertigt.

In einem weiteren Vorabentscheidungsverfahren hatten mehrere natürliche Personen gegen Beschlüsse geklagt, mit denen die CNIL Anträge abgelehnt hatte, die Google Inc. aufzufordern bestimmte Links zu Internetseiten Dritter aus den Ergebnislisten zu entfernen. Unter anderem war in den Suchergebnissen einer der Betroffenen als Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit der Scientology-Kirche genannt. Eine im Bereich der Politik tätige Frau wurde unter einem Pseudonym in einer satirischen Fotomontage dargestellt und über einen weiteren Betroffenen war ein Artikel zu einer Verurteilung wegen sexueller Übergriffe auf Jugendliche aufgeführt. Der Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) hat dem Europäischen Gerichtshof vor diesem Hintergrund mehrere Fragen zur Auslegung der Richtlinie 95/46/EG im Hinblick auf die Ausgestaltung der Löschpflicht vorgelegt.

Der Generalanwalt vertritt hierzu die Ansicht, dass das Verbot der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (wie solche, die politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder das Sexualleben betreffen) grundsätzlich auch auf die Tätigkeit des Betreibers einer Suchmaschine Anwendung finden soll. Demnach habe der Betreiber einer Suchmaschine vorbehaltlich der in Art. 8 der Richtlinie 95/46/EG vorgesehenen Ausnahmen auf Antrag Links zu Internetseiten entsprechender sensibler Daten zu entfernen. Im Rahmen der Ausnahmen müsse jedoch eine Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Recht auf Datenschutz einerseits sowie dem Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den fraglichen Informationen und dem Recht auf Meinungsäußerung stattfinden. Auch im Hinblick auf die Entfernung von Links zu Internetseiten, die unvollständig, unrichtig oder obsolet gewordene personenbezogene Daten enthalten, müsse eine Abwägung im Einzelfall vorgenommen werden.

 

Die jeweiligen Pressemitteilungen des EuGH sind in deutscher Sprache abrufbar unter:

https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2019-01/cp190002de.pdf

https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2019-01/cp190001de.pdf

 

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