In der gestrigen Sitzung vom 26.4.2023 des Ausschusses für Kultur und Bildung (CULT) des Europäischen Parlaments hat Prof. Dr. Mark D. Cole, wissenschaftlicher Direktor des EMR, die Hintergrundanalyse zum vorgeschlagenen European Media Freedom Act (EMFA) vorgestellt, die er gemeinsam mit Christina Etteldorf, wissenschaftliche Referentin des EMR, im Auftrag des CULT Ausschusses erstellt hat.
Die Hintergrundanalyse fokussiert sich auf einige relevante Fragestellungen, die aus medienrechtlicher Perspektive in der kommenden gesetzgeberischen Diskussion zum EMFA zu berücksichtigen sind. Das betrifft insbesondere die geeignete Rechtsgrundlage für den EMFA und die notwendige Herstellung von Kohärenz mit dem existierenden Regulierungsrahmen sowie ausgewählte materiellrechtliche Fragen. In diesen Zusammenhängen wird auch das institutionelle System betrachtet, dass innerhalb des EMFA vorgeschlagen wird.
Unter Betonung der Tatsache, dass der EMFA sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Themen befasst, die mit sehr unterschiedlichen Bestimmungen und verschiedenen institutionellen Mechanismen verbunden sind, kommen die Autoren insbesondere zu dem Ergebnis, dass die Gewährleistung der praktischen Kohärenz mit bestehenden EU- und nationalen Rechtsvorschriften ein zentrales Anliegen sein sollte. Bei der Regulierung des Mediensektors, der sich durch seine Doppelnatur aus kulturellen und wirtschaftlichen Komponenten auszeichne, müsse nicht nur der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung, sondern insbesondere das Subsidiaritätsprinzip und die Verhältnismäßigkeit im Verhältnis zwischen Kompetenzen der EU und den Mitgliedstaaten sorgfältig beachtet werden. Die Vorschriften müssten klar, präzise, wirksam und auf EU-Ebene notwendig sein, weshalb die ausschließliche Berufung auf die Binnenmarktklausel als Rechtsgrundlage nicht nur Bedenken hinsichtlich der Zuweisung von Zuständigkeiten, sondern auch hinsichtlich der Wahl des Rechtsinstruments hervorrufe. Die vorgeschlagenen materiellrechtlichen Vorschriften, so die Analyse weiter, wiesen einige definitorische Unklarheiten auf, die es schwierig mache, den beabsichtigten Anwendungsbereich und die tatsächlichen Auswirkungen zu beurteilen. Dies betreffe etwa die Begriffe der redaktionellen Entscheidung in Art. 4 im Gegensatz zu Art. 6 oder das Konzept der Unabhängigkeit der privilegierten Mediendiensteanbieter in Art. 17. Fragen zur Formulierung der Bestimmungen erstreckten sich auch auf deren Durchsetzbarkeit und damit auf die Schutzmöglichkeiten für Mediendiensteanbieter und -empfänger, wie sie mit dem EMFA angestrebt werden. Zum Beispiel sei etwa in Art. 5, 6, 17 und 20 nicht klar, inwieweit die Einhaltung der Vorschriften überwacht werden sollte oder wie die verschiedenen Beschwerdestellen mit den nationalen Regulierungsbehörden und -stellen oder dem neu eingerichteten Ausschuss zusammenwirkten, da der EMFA keine spezifische Zuweisung von Aufsichtsaufgaben oder eine Sanktionsregelung enthält. Die Koordinierung der Aufsichtsmaßnahmen, sowohl im Rahmen des EMFA als auch der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, sei schließlich in der heutigen Medienlandschaft von besonderer Bedeutung. Dem unabhängigen Gremium werden zwar eine wichtige Rolle zugewiesen. Bedenken ergäben sich aber hinsichtlich des Zusammenspiels mit den Befugnissen der Kommission.
Die Hintergrundanalyse ist über die Webseite des Europäischen Parlaments abrufbar:
Cole/Etteldorf, Research for CULT Committee – European Media Freedom Act – Background Analysis, European Parliament, Policy Department for Structural and Cohesion Policies, Brussels
Diese Ergebnisse stellte Prof. Dr. Mark D. Cole auch in der Sitzung des CULT Ausschusses vor. Als Empfehlung sprach er sich schließlich dafür aus, die Rechtsgrundlage für den EMFA zu klären, insbesondere die Wahl des Rechtsinstruments für bestimmte Teile des Vorschlags zu überdenken. Zudem sollte eine klarere Abgrenzung zu bestehenden Rechtsakten, allen voran der AVMD-Richtlinie erfolgen, und eine Präzisierung von Definitionen und Regeln auch im Hinblick auf deren praktische Effektivität vorgenommen werden. In institutioneller Hinsicht sollte die Unabhängigkeit der Aufsichtsstrukturen sowie Kooperationsverpflichtungen gestärkt werden, dabei auch bestehende Herausforderungen innerhalb der AVMD-Richtlinie mitgedacht werden.
Die Aufzeichnung der Sitzung des CULT Ausschusses kann über die Webseite des Europäischen Parlaments abgerufen werden.
Update: Am 4. Mai 2023 wurden nunmehr auch die Policy Recommendations der Autoren veröffentlicht, die sich aus der Hintergrundanalyse ableiten. Darin sprechen sich die Autoren insbesondere für einige dringen notwendige Klarstellungen aus, die vor allem die Rechtsgrundlage des Vorschlags, materielle Bestimmungen sowie deren Rechtsfolgen betreffen.
Die Policy Recommendations sind über die Webseite des Europäischen Parlaments abrufbar: